Maghrebinischer Stolz Baseler Art

Das Label von Pat Jabbar, seit der legendären Band "Aisha Kandisha's Jarring Effects" bekannt für dubbige, trancige Sounds, kooperiert derzeit mit exil-algerischen Musikern und Bill Laswell. Von Stefan Franzen

Das Label von Pat Jabbar, seit der legendären Band "Aisha Kandisha's Jarring Effects" bekannt für dubbige, trancige Sounds zwischen Marokko und Basel, kooperiert derzeit mit exil-algerischen Musikern und Bill Laswell. Von Stefan Franzen

Pat Jabbar; Foto: Daniel Infanger
Pat Jabbar: "Auf unseren neuen Platten gibt es auch erzieherische Texte, um Vorurteile abzubauen und die Leute zu informieren, was Islam wirklich bedeutet."

​​Ein unscheinbarer Wohnblock in einer ruhigen Nebenstraße im Zentrum von Basel. Die schwere Kellertür schwingt auf und gibt den Blick frei auf die marokkanische Flagge, ein paar lederne Sitzgruppen, einen spartanischen Aufnahmeraum und jede Menge Computer-Chaos.

Das ist die kreative Brutstätte von Pat Jabbar, ein sympathischer Schlacks, unter dessen Skimütze wache Augen lauern und der für den Journalisten nochmals in die Vergangenheit abtaucht:

"Ich bin ganz normal hier in Basel aufgewachsen. Und wir hatten als Kids unsere Trash-Bands in der Stadt mit Musikern, die mehr vom Punk herkamen. 1984 habe ich in Israel zum ersten Mal wirklich arabische Musik wahrgenommen. Das hat mich dazu veranlasst, unbedingt weiter zu recherchieren. Ein Jahr später bin ich nach Marokko gegangen und habe dort zufälligerweise am Strand Musiker kennengelernt. Wir machten Percussion-Sessions, dann kamen immer mehr Instrumentalisten dazu und daraus ist dann 'Aisha Kandisha's Jarring Effects' entstanden."

Dub-Musikpioniere vor Natacha Atlas

Die legendäre Band mischte arabische Elemente mit Dub, Trance und House – lange bevor Natacha Atlas oder "Fun-Da-Mental" in den Startlöchern standen. Zum Vertrieb der Platte wurde der Verlag "Barraka El Farnatshi" gegründet, der so erfolgreich war, dass schon bald 100 Plattem pro Woche nach New York geschickt werden konnten.

Dort wurde schließlich Bill Laswell auf das arabo-helvetische Label aufmerksam, der für eine Zusammenarbeit begeistert werden konnte – bis heute dröhnen die tiefen Töne des renommierten "Dub-Papstes" auf den Platten des Basler Musikers.

"Ich habe die Bänder nach New York mitgenommen und bin zu ihm ins Studio", erinnert sich Jabbar an seine erste Begegnung mit Bill Laswell. "Er hat sie einfach in die Maschine reingeknallt, sofort die Grundnote gesucht, beim zweiten Hören hat er aufgenommen, beim dritten war es abgemixt. Verrückt wie er arbeitet, wie schnell der sich in eine fremde Kultur einarbeiten kann."

Kooperationen nach dem Puzzleverfahren

Bald darauf hört Jabbar mit seinem Studium auf und konzentriert sich ausschließlich auf seine Musik. Aisha Kandisha fungiert dabei nur als Startblock für eine Reihe von Ablegerbands. Gearbeitet wird nach dem Puzzleverfahren: Die Basis und die Beats legt er in der Schweiz fest, dann reist er nach Marrakesch (oder auch mal nach Casablanca), wo mit einheimischen Musikerfreunden an der Produktion weitergearbeitet wird.

Aisha Kandisha's Jarring Effects; Foto: &copy worldmusiccentral.org
Auftakt des arabischen House, Trance und Dub - die 1987 in Marrakesch von Abdou El Shaheed, Habib El Malak und Pat Jabbar gegründete Band "Aisha Kandisha's Jarring Effects"

​​26 Platten zählt mittlerweile der Katalog von Barraka – marokkanischer Rai, der populäre Châabi-Stil, Klänge der Gnawa und der Berber wurden in das elektronische Setting eingebettet. Der Ex-Sänger der Dissidenten, Hamid Baroudi, hat mit ihm kollaboriert, ebenso die marokkanische Chansonière Sapho. Und sogar Nina Hagen hatte einen Gastauftritt auf einer seiner Platte.

Jabbar will das alles nicht an die große Glocke hängen: "Die Schweiz ist als Standort ideal. Hier habe ich meine Ruhe. Ich bin nicht angewiesen auf einen bestimmten Bekanntheitsgrad. Von hier aus kann ich mich auf meinen Hauptabsatzmarkt Deutschland konzentrieren."

Ruppige Vokalfärbungen

Die Verankerung in Basel nimmt in letzter Zeit jedoch zu. Immerhin veröffentlicht Barraka die Platten der basel-türkischen Hip-Hop-Crew "Makale" und bezieht sich auch mit dem aktuellen Projekt "Maghrebika" ausdrücklich auf die Heimatstadt. Mit Abdelaziz Lamari und Abdelkader Belakcem sind zwei Exil-Algerier mit an Bord.

"Die kamen vor etwa zehn Jahren nach Basel und singen über ihre Erfahrungen hier. Davon, dass sie die Kids in der Heimat vom Traum abhalten wollen, dass hier alles mit Gold gepflastert ist und hier alle Probleme gelöst werden."

Cover Maghrebika
Cover der aktuellen Produktion des Barraka-Labels von Pat Jabbar: "Neftakhir" des Bandprojekts Maghrebika

​​Neben den algerischen Youngstern bringen die Stimmen der reifen Damen von "B'Net Marrakech" ruppige Vokalfärbungen in die Arrangements. "Neftakhir" heißt das Album, "wir sind stolz". Und von diesem Stolz brauchen arabische Jugendliche eine Menge, meint Pat Jabbar, der als praktizierender Sunnit einem pazifistischen Islam anhängt:

"Die Kids sollen sich nicht von all diesen Soaps im Fernsehen und diesen Werten, die wir im Westen kultivieren, zu sehr verwestlichen lassen. Sie sollten sich eher auf ihre eigene Kultur konzentrieren, um nicht die Identität zu verlieren, von der wir viel mehr lernen können als umgekehrt. Auf unseren neuen Platten gibt es auch erzieherische Texte, um Vorurteile abzubauen und die Leute zu informieren, was Islam wirklich bedeutet. Es ist wichtig, sich nicht ständig von den Medien beeinflussen zu lassen, die immer probieren, den Islam in ein schlechtes Licht zu stellen."

Nächstes Jahr wird Barraka einen weiteren Meilenstein erreichen: Nach langer Pause ist die fünfte Produktion von Aisha Kandisha anvisiert und dann wird man die "Arab-Dub"-Pioniere auch wieder auf deutschen Bühnen erleben können.

Stefan Franzen

© Qantara.de 2007

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