Das Ende der Islamischen Revolution

Das Atomabkommen mit dem Iran markiert einen Wendepunkt in den Beziehungen der Islamischen Republik zu den Vereinigten Staaten. Warum aber haben die USA so viel länger gebraucht, sich mit Khomeinis Revolution im Iran zu arrangieren, als mit der Revolution in China unter Mao Zedong? Von Said Amir Arjomand

Von Said Amir Arjomand

Eine Erklärung für die lange bilaterale Eiszeit zwischen den USA und dem Iran ist natürlich der verzerrte Diskurs darüber, was George W. Bush törichterweise als "globalen Krieg gegen den Terror" bezeichnete, im Rahmen dessen man den Iran neben dem Irak und Nordkorea als Teil der internationalen "Achse des Bösen" ausmachte. Aus diesem Grund betrachteten offizielle Vertreter der USA jeden Schritt in Richtung einer diplomatischen Normalisierung als unannehmbare Beschwichtigungspolitik.

Doch die moralistische Außenpolitik der Regierung Bush hat Amerikas Haltung seit der Islamischen Revolution des Jahres 1979 im Iran nur verstärkt. Und Geschichte sowie Ablauf dieser Revolution bieten auch eine umfassendere und überzeugendere Erklärung der jüngsten Ereignisse.

Vergessen Sie die Französische Revolution als Beispiel: die sogenannte thermidorianische Reaktion, als die Gemäßigten der Schreckensherrschaft Robespierres ein Ende setzten, bildete die Ausnahme im Ablauf moderner Revolutionen. Das typische Muster seit Menschengedenken besteht darin, dass die Hardliner nach den Gemäßigten kommen. In der Sowjetunion beispielsweise waren es nach dem Zweiten Weltkrieg die Hardliner, die danach trachteten, die marxistisch-leninistische Revolution zu exportieren, womit sie die Welt zu einem jahrzehntelangen Kalten Krieg verdammten.

Die Rückkehr der Hardliner

Auch im Iran war es nicht anders. Nach Khomeinis Tod im Jahr 1989, gelangte der pragmatische Ali-Akbar Haschemi Rafsandschani in das Präsidentenamt und ihm folgte der reformorientierte Mohammed Khatami. Doch die Hardliner schlugen zurück. Als sich Khatamis Reformprogramm als unwirksam erwies, wurde Mahmud Ahmadinedschad, ein obskurer Offizier der Basidsch-Miliz, im Jahr 2003 zum Bürgermeister von Teheran gewählt (bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 12 Prozent). Im Jahr 2005 triumphierte er dann gegen Rafsandschani und wurde Präsident.

Ahmadinedschad, ein fanatischer Anhänger Khomeinis, des ersten Imams der Revolution, bildete eine Erinnerung an die populistischen Anfänge dieser Revolution. Eine aggressive Atompolitik sollte als Rechtfertigung für Khomeinis Kampf gegen Amerika, den "großen Satan", dienen. Erst als die iranischen Wähler angesichts Ahmadinedschads Inkompetenz die Geduld verloren und 2013 Hassan Rohani wählten, konnte man die Islamische Revolution als beendet betrachten.

Iranischer Reformpolitiker und Ex-Präsident Mohammad Khatami; Foto: ISNA
Den Riss in der „Mauer des Misstrauens“ herbeiführen: Der Iranischer Reformpolitiker und Ex-Präsident Mohammad Khatami war in seiner Amtszeit um eine Annäherung zwischen dem Iran und den USA bemüht.

Hätte Amerika die verschwendeten Jahre unter Ahmadinedschad vermeiden können? Seine Vorgänger hatten ernsthafte Anstrengungen zur Verbesserung der Beziehungen mit den USA unternommen.

Ermutigt durch den Sieg der von den USA angeführten Koalition im Golfkrieg des Jahres 1991 gegen den Irak (den Erzfeind der Islamischen Republik), sandte Rafsandschani 1995 deutliche Signale der Bereitschaft zur Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen an die USA. Doch die Regierung Clinton ignorierte Rafsandschanis Bemühungen und im darauf folgenden Jahr verabschiedete der US-Kongress einstimmig das Gesetz über Sanktionen gegen Libyen und den Iran.

Bill Clinton und seine Berater hatten zugegebenermaßen jede Menge Grund zur Skepsis. Rafsandschani war zumindest teilweise Geißel kompromissloser Gegenspieler, die erpicht darauf waren, seine außenpolitischen Initiativen mit zeitgenauen Terroranschlägen in Frankreich, Deutschland und Argentinien zu sabotieren.

Khatamis "Dialog der Kulturen"

Sehr wohl ernst nahmen Clinton und seine Außenministerin Madeleine Albright jedoch den Vorschlag von Rafsandschanis Nachfolger Khatami vor der UNO-Generalversammlung im Jahr 2000, in einen „Dialog der Kulturen“ einzutreten, um einen "Riss" in der von ihm so bezeichneten "Mauer des Misstrauens" zwischen dem Iran und den USA herbeizuführen. Bedauerlicherweise zwang damals der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Khamenei, seinen Präsidenten und den Außenminister, den geplanten Handschlag mit ihren amerikanischen Amtskollegen zu vermeiden.

Für diejenigen, die sich eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und dem Iran erhofften, sollte es noch schlimmer kommen. Zunächst war da Bushs Rede über die "Achse des Bösen" im Jahr 2002. Im Februar 2005, gerade als sich der Hardliner Ahmadinedschad anschickte, Präsident zu werden, lehnte Bush formell ein Atomabkommen ab, das Rohani (der damalige Vertreter Khameinis im Obersten Nationalen Sicherheitsrat des Iran) unter mühevoller Kleinarbeit ausgehandelt hatte und das Ende 2004 von Frankreich, Deutschland und Großbritannien unterzeichnet wurde.

Als der Iran den strategischen Horizont sondierte, schien es offensichtlich, dass die USA in den Irak einmarschiert waren, weil Saddam keine Massenvernichtungswaffen besaß. Dadurch wurde Ahmadinedschads Beharren auf den atomaren "Rechten" des Iran bei den Massen und in der Mittelschicht gleichermaßen populär.

Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad; Foto: Getty Images/AFP/B. Mehri
Eiszeit im US-amerikanisch-iranischen Verhältnis und Stillstand bei den Atomverhandlungen: Unter dem radikalen Ex-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad hatte dessen Atomchefunterhändler Said Dschalili in sechs Jahren nichts erreicht, außer dass immer neue Sanktionen gegen den Iran verhängt wurden.

Der Atomdeal als Obamas politisches Vermächtnis

Trotz der weitverbreiteten Ernüchterung über Ahmadinedschad herrscht diese Stimmung im Iran immer noch vor. Doch das vor Kurzem erzielte Atomabkommen ist das Produkt eines anderen politischen Kontexts: Präsident Barack Obama war bestrebt, einen Deal mit dem Iran zu einem Teil seines Vermächtnisses zu machen und diesmal war Rohani als Präsident in der Lage mit der vollen Unterstützung Khameinis zu verhandeln, mit dem er (im Gegensatz zu Khatami) eng zusammengearbeitet hat.

Allerdings gibt es noch einen noch triftigeren Grund für den Erfolg der Atomverhandlungen: Khomeinis Islamische Revolution des Jahres 1979 ist letztlich zu einem Ende gekommen – und Khameini weiß das. Außerdem muss ihm bewusst sein, dass der Export der Islamischen Revolution aus dem schiitischen Iran ihre Überzeugungskraft verloren hat und in der sunnitischen Welt längst einen ideologisch-adäquateren Ersatz gefunden hat: Zunächst durch den weltweiten Dschihad von Al-Qaida und mittlerweile durch den sogenannten "Islamischen Staat" und dem Kalifat von Abu Bakr al-Baghdadi.

Für den Iran zählt derzeit nicht mehr Ideologie, sondern nationales Interesse und Realpolitik. Aus diesem Grund unterstützt man gegenwärtig die Gegner des revolutionären Islam: nämlich Baschar al-Assad gegen die Islamisten in Syrien und die Huthis gegen die Al-Qaida im Jemen.

Und aus diesem Grund ist man nicht nur gewillt, ein Atomabkommen mit dem "großen Satan" abzuschließen, sondern kooperiert mit ihm auch stillschweigend gegen den "Islamischen Staat" – den gemeinsamen Feind. Nun, da die Revolution ihr Ende gefunden hat, ist anzunehmen, dass die Zusammenarbeit wahrscheinlich auch in anderen Bereichen gleichermaßen attraktiv geworden ist.

Said Amir Arjomand

© Project Syndicate 2015

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

Saïd Amir Arjomand ist Gründer der "Association for the Study of Persianate Societies" und Professor für Soziologie am "Stony Brook Institute for Global Studies" der "State University of New York at Stony Brook".