Mit voller Härte

Unter dem Deckmantel des Anti-Terrorkampfes geht Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi neuerlich in die Offensive gegen Demokratieaktivisten und revoltierende Studenten. Vor kurzem erließ er ein Gesetz, das künftig die Strafverfolgung von Zivilisten durch Militärgerichte erleichtern soll. Von Karim El-Gawhary aus Kairo

Von Karim El-Gawhary

"Aufgrund jüngster Stromausfälle, wurde das Licht am Ende des Tunnel in Ägypten bis auf weiteres ausgeschaltet", twitterte kürzlich ein Witzbold aus Ägypten, um in weniger als 140 Zeichen die bittere Realität des Landes einzufangen.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi versucht derzeit die Lage unter Kontrolle zu bringen, indem er im Namen der Sicherheit und des Anti-Terrorkampfes die staatlichen Daumenschrauben allerorten anzieht. Per Präsidialdekret vom 27. Oktober kann seit dieser Woche die Armee in allen öffentlichen Einrichtungen, zu deren Schutz der Polizei zur Seite stehen. Dazu gehören bemerkenswerterweise nicht auch E-Werke, Pipelines, Bahnhöfe und Brücken, sondern auch die Universitäten. Bereits einen Tag später stürmten nicht nur Einheiten der Polizei, sondern auch Soldaten den Campus der Universität der Nildelta-Stadt Mansoura.

An den ägyptischen Universitäten rumort es. Immer wieder kommt es dort zu Protesten und Demonstrationen gegen die Regierung, durch die von den Muslimbrüdern angeführten "Anti-Putsch-Bewegung". Im letzten Semester wurden 16 Studenten bei Polizeieinsätzen getötet, 1.000 wurden verhaftet, 500 exmatrikuliert. Daher wurde der Beginn des neuen Semesters verschoben. Doch gleich mit Semesterbeginn gingen die Proteste weiter. 200 Studenten wurden verhaftet, ein Studierender kam an der Universität Alexandria ums Leben.

Ägypten verschärft Rechte der Militärgerichte

Nicht nur gibt es nun grünes Licht für die Armee an den Universitäten eingesetzt zu werden, auch die Militärgerichtsbarkeit wurde ausgeweitet. In Zukunft können auch Studenten und Schüler vor Militärgerichte gestellt werden, wenn sie Bildungseinrichtungen sabotieren, erklärte am vergangenen Montag (27.10.2014) Premier Ibrahim Mahlab.

Proteste gegen Militärgerichte für Zivilisten in Kairo; Foto: DW/A. Wael
Proteste gegen Militärgerichte für Zivilisten: Nach der Revolution im Februar 2011 waren nach "Human Rights Watch"-Angaben allein bis Juni 2012 rund 12.000 Zivilisten vor Militärgerichte gestellt worden - mehr als zur kompletten 30-jährigen Amtszeit von Husni Mubarak. Das Recht, auch Zivilisten vor ein Militärgericht stellen zu können, wurde nach der Revolution in der Verfassung verankert.

Unterdessen warten Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen darauf, was nach dem 10. November geschehen wird. Bis dahin sollen sich alle Gruppierungen der Zivilgesellschaft unter einem restriktiven NGO-Gesetz aus der Mubarak-Zeit registrieren, dass der Regierung das Recht gibt, sie jederzeit zu schließen.

Laut einem derzeit diskutierten noch schärferen NGO-Gesetz, könnte die Regierung gegen alle NGO-Entscheidungen ein Veto einlegen. Wer ausländische Gelder ohne vorherige staatliche Genehmigung annimmt, muss danach drei Jahre ins Gefängnis.

Internationale Organisationen wie Human Rights Watch oder die Carter-Stiftung haben inzwischen ihre Büros in Kairo geschlossen. "In Ägypten läuft es wieder, wie eh und je, die Regierung trampelt auf den Rechten der Bürger rum, unterstützt von westlichen Regierungen", erklärte Sarah Leah Watson, Vorsitzende von Human Rights Watch. "Die Sisi-Regierung unternimmt alles, um jegliche Opposition, egal ob islamistisch oder säkular zu zerstören", fügte sie hinzu.

Der prominente Blogger und Tahrir-Aktivist Alaa Abdel Fatah wurde am letzten Montag (27.10.2014) zusammen mit 22 anderen säkularen Aktivisten verhaftet. Einen Tag zuvor wurde seine jüngere Schwester Sanaa zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Sie alle hatten gegen ein neues restriktives Demonstrationsrecht protestiert.

Im Gleichschritt des Militärs

Studenten-Demonstration an der Cairo University am 27.10.2014; Foto: picture-alliance/AA/M. Hossam
Rebellion auf dem Campus: Im ganzen Land protestieren Studenten seit Beginn des akademischen Jahres Mitte Oktober gegen den Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Jahr 2013. Auch gegen strenge Sicherheitskontrollen und den Einsatz privater Sicherheitsfirmen auf dem Campus lehnen sich die Studenten auf.

Begleitet wird das alles von den gleichgeschalteten ägyptischen Medien. Nach einem Anschlag im Nordsinai bei dem über 30 Soldaten am vergangenen Wochenende ums Leben gekommen sind, traf eine Gruppe von Chefredakteuren von Tageszeitungen zusammen. Sie verpflichteten sich öffentlich, die Leistungen staatlicher Institutionen, des Militärs, der Polizei und der Justiz nicht in ihren Blättern zu kritisieren.

Gerechtfertigt wird das Ganze als mediale Anti-Terrormaßnahme. Innerhalb einer Woche wurden zwei Moderatoren suspendiert. Einer von ihnen, Mahmoud Saad, vom privaten Fernsehsender Al-Nahar, wurde entlassen, nachdem einer seiner Talkshow-Gäste von der "Niederlage der Armee" im 1967er Krieg gegen Israel gesprochen hatte. Das so der Sender, habe die Moral der Armee unterwandert. Saad wurde inzwischen wieder in seinem Posten als Moderator eingesetzt.

"Was bleibt ist der Aufruf an alle Bürger zusammenzuarbeiten und ihre Ränge zu schließen und eine freie Stimme und ein nationaler Wegbereiter zu sein, der den staatlichen Institutionen hilft, ihre Pflicht zu erfüllen", erklärte er nach seiner Wiedereinsetzung.

Als einziger nichtkontrollierter Bereich verbleibt das Internet und die Sozialen Medien. Aber auch das soll sich nach dem Willen der Regierung ändern. Das Militär hat einen Anteil am nationalen Kommunikationsnetz erhalten und das Recht, dieses auch zu managen. Das Innenministerium sucht derzeit nach geeigneten Überwachungssystemen.

Laut einer kürzlich bekannt gewordenen Ausschreibung, wolle man künftig "destruktive Ideen lokalisieren" und herausfinden, wo zu Demonstrationen aufgerufen wird und wer Religionen beleidigt. Es soll nach Sarkasmus, Rufschädigung, Obszönitäten und Dingen gesucht werden, die außerhalb des Kontexts zitiert werden, heißt es in einem Bericht der Carnegie Stiftung mit dem vielsagenden Titel. "Ägypten 1984", frei nach George Orwell.

Karim El-Gawhary

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