Politiker warnen vor Aufgabe "abendländischer Werte"

Die Deutsche Oper Berlin hat die religionskritische Inszenierung der Mozart-Oper 'Idomeneo' aus dem Spielplan gestrichen. Begründung: In einer Analyse des Landeskriminalamtes werde das Stück als "unkalkulierbares Sicherheitsrisiko" dargestellt. Marcel Fürstenau berichtet.

Die Deutsche Oper Berlin hat die Wiederaufnahme einer religionskritischen Inszenierung der Mozart-Oper 'Idomeneo' aus dem Spielplan gestrichen. Begründung: in einer Analyse des Landeskriminalamtes werde das Stück als "unkalkulierbares Sicherheitsrisiko für das Haus" dargestellt. Marcel Fürstenau berichtet.

​​Hintergrund sind anscheinend Befürchtungen, die 'Idomeneo'-Aufführung könnte gewalttätige Reaktionen von islamistischer Seite auslösen. In der Inszenierung werden das Christentum, der Buddhismus und der Islam kritisch dargestellt. Die Absage hat in Deutschland eine heftige Debatte ausgelöst.

Stein des Anstoßes sind vier abgeschlagene Köpfe in der von Hans Neuenfels bereits 2003 inszenierten Mozart-Oper 'Idomeneo'. Die Köpfe verkörpern Jesus, Buddha und Mohammed sowie Poseidon, der mythologisch für das Schicksal des Königs von Kreta verantwortlich ist.

Die hinter diesem Bild steckende Botschaft lautet: Die Götter sind tot. Eine Szene, von der sich schon Teile des Premieren-Publikums vor drei Jahren provoziert gefühlt haben sollen. Was in der Theater-Stadt Berlin keine Seltenheit ist, unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Aufführung.

"Lächerlich und inakzeptabel", sei die Entscheidung der Deutschen Oper, Mozarts 'Idomeneo' abzusetzen, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Rande eines USA-Besuches. Die Absage erfolgte zwei Tage vor Beginn der Islam-Konferenz, zu der Schäuble nach Berlin geladen hatte.

"Keine Selbstzensur aus Angst!"

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel übte scharfe Kritik und erklärte in einem Zeitungsinterview wörtlich: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht aus Angst vor gewaltbereiten Radikalen immer mehr zurückweichen." Selbstzensur aus Angst sei unerträglich, erklärte sie gegenüber der "Neuen Presse" aus Hannover.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, Hans-Joachim Otto (FDP), appellierte an den Innenminister, die Absetzung der Oper auf der Konferenz zur Sprache zu bringen. Es gehe um nichts Geringeres als die Sicherung der Kunst- und Meinungsfreiheit:

"Es wäre sehr wünschenswert, wenn es zur Sicherung der Kunstfreiheit in Deutschland und in Europa jetzt einen Aufstand der Aufgeklärten gäbe unter Einbeziehung von Muslimen. Und die dafür sorgen, die Schere im Kopf zu beseitigen, die dazu führt, dass man solche Aufführungen nicht mehr zeigt und nicht mehr auf die Bühne bringt. Es muss dafür gesorgt werden, die Errungenschaft der Kunst- und Meinungsfreiheit ungeschmälert in Europa und Deutschland beizubehalten."

Die Reaktionen der Berliner Landespolitiker wiederum sind unterschiedlich. Aus dem Hause des Innensenators Ehrhart Körting (SPD) heißt es, die Absetzung sei eine alleinige Entscheidung der Deutschen Oper.

Intendantin verteidigt Entscheidung

Deren Intendantin Kirsten Harms rechtfertigte ihre Entscheidung in einer kurzfristig einberufenen Presse-Konferenz. Sie habe eine Gefährdung ihrer Mitarbeiter und des Publikums ausschließen wollen. Und unter Bezugnahme auf eine Sicherheits-Analyse des Landeskriminalamtes führte sie aus:

"Ich hätte nicht ermessen können, ob tatsächlich ein Sicherheitsrisiko besteht. Schon gar nicht, ob es klein, mittel oder groß ist. Wobei ich allerdings sage: 'In dem Moment, in dem ich weiß, es besteht ein Sicherheits-Risiko, wie groß auch immer, muss bereits eine Entscheidung getroffen werden.'"

Deshalb halte sie ihre Entscheidung, die für November geplante Wiederaufnahme der Mozart-Oper 'Idomeneo' aus dem Spielplan zu nehmen, für richtig.

Rückendeckung erhielt die Intendantin von Berlins Kultur-Senator Thomas Flierl (Linkspartei). Kirsten Harms habe verantwortungsvoll gehandelt".

Sie seien sich beide einig, dass es sich um keinen Präzedenzfall und auch um keine Selbstzensur handele, erklärte Flierl. Nun komme es darauf an, den kulturpolitisch schwerwiegenden Fall zum Anlass zu nehmen, Konzepte zu entwickeln, wie die Freiheit der Kunst in Berlin vor dem Hintergrund auch realer Sicherheitsrisiken zukünftig gewahrt werden könne.

Marcel Fürstenau

© DEUTSCHE WELLE 2006