Flagge zeigen für Weltoffenheit

Die Bundeskanzlerin lud zum Integrationsgipfel ins Kanzleramt ein - und setzte nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA ganz andere Zeichen für Deutschland. Von Charlotte Potts

Von Charlotte Potts

Wie so vieles in diesen Tagen stand auch der Integrationsgipfel im Kanzleramt noch ein wenig im Schatten des Wahlsieges von Donald Trump. Mit seiner Anti-Einwanderungsrhetorik hat der designierte Präsident die Stimmung gegen Migranten in den USA angeheizt. Erst am Sonntag kündigte er an, direkt nach Amtsantritt zwei bis drei Millionen illegale Einwanderer abschieben zu wollen.

Auch in Deutschland sorgen sich Migranten, dass Rechtspopulisten weiter Auftrieb gewinnen und damit ausländerfeindliche Ressentiments stärker Fuß fassen können. So fragte ein türkischer Journalist die Bundeskanzlerin, wie sie diesen Sorgen entgegne. "Wir sind alle aufgefordert, Farbe zu bekennen und Flagge zu zeigen für ein weltoffenes Deutschland", antwortete die Bundeskanzlerin und rief zu einem offenen und wertgebundenen Deutschland auf.

"Die Würde jedes Menschen ist unantastbar, und das gilt unabhängig von Religion, Herkunft, sexueller Orientierung und anderen Merkmalen, Geschlecht beispielsweise. Das ist das, was uns leitet. Dafür treten wir auch ein", betonte die Kanzlerin und stellte klar, dass diese Diskussion auch ganz unabhängig von der Präsidentschaft Trumps geführt werde.

Eigentliches Gipfelthema war die Teilhabe von Migranten. Es sei ein "sehr ermutigendes" Treffen gewesen, betonte die Kanzerlin anschließend vor der Hauptstadtpresse. Migrantenorganisationen seien offen und zeigten viel Engagement, vor allem den Willen, am Arbeitsleben, an der Gesellschaft und am politischen Prozess teilzuhaben.

Özoguz: Deutschland versteht sich endlich als Einwanderungsland

Zu Beginn des Spitzentreffens hatte Merkel zu einem offenen Austausch aufgerufen: "Ich glaube, wir lernen auch ein Stück weit aus den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit, wenngleich neben mir ein gelungenes Exemplar von Integration sitzt, nicht nur neben mir, sondern hier um den Tisch herum, wenn ich das so sagen darf."

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz; Foto: dpa
Wirklich angekommen in der Mitte der Gesellschaft? Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), betonte nach dem Gipfel, dass sich Deutschland "endlich als Einwanderungsland" verstehe. Dennoch fehlte viele Menschen mit Migrationshintergrund weiterhin das Zugehörigkeitsgefühl, das sei aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt entscheidend.

Lobende Worte für die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), deren Eltern in den 1950er Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen. Die Integrationsbeauftrage zeigte sich nach dem Treffen erfreut, dass sich Deutschland "endlich als Einwanderungsland" verstehe.

Trotzdem hätten viele Menschen mit Migrationshintergrund weiterhin das Gefühl, nicht vollkommen dazuzugehören. Immer noch entscheide die soziale Herkunft über den Bildungserfolg. Der Migrationshintergrund werde bei Bewerbungen noch zu oft zum Nachteil ausgelegt. Ein Vorschlag für die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt: die Anonymisierung der Bewerber.

Immer noch entscheide die soziale Herkunft über den Bildungserfolg, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Ein Vorschlag für die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt: Die Anonymisierung der Bewerber.

Ebenso beklagte Özoguz, dass der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst noch viel zu klein sei. Eine Quote, gemessen am Anteil der Migranten in Deutschland, wäre eine Lösung, sagte sie.

Offenheit als Grundlage für gelungenes Miteinander

Merkel bezeichnete das Erlernen der deutschen Sprache als Grundvoraussetzung für Integration. Zur Teilhabe an der Gesellschaft gehöre aber auch die Achtung des imGrundgesetz festgeschriebenen Wertefundaments und die Offenheit der Einwanderungsgesellschaft, all dies sei grundlegend für ein gelungenes Miteinander in Deutschland.

Merkel forderte, dass Migranten gezielter für die Arbeit in Freiwilligendiensten angesprochen werden müssten. Denn es gebe genügend Bereitschaft zum Mitmachen.

Die Bereitschaft von Migranten, ehrenamtlich zu arbeiten, bestätigte am Montag eine Studie. Nach dem "Freiwilligensurvey" sind rund 31 Prozent der Migranten bereits als Freiwillige tätig. Bei bereits in Deutschland geborenen Kindern aus Migrantenfamilien mit deutschem Pass sei die Quote der Ehrenamtlichen mit 43,2 Prozent sogar noch deutlich höher, berichtete die Zeitung "Passauer Neue Presse".

Vielfalt im Grundgesetz?

Seit 2006 lädt die Kanzlerin Vertreter aus Politik, Medien, und Gesellschaft sowie Migrantenverbände ins Kanzleramt ein, um Fortschritte beim Thema Integration zu erzielen. In Deutschland leben derzeit 16,4 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Kanzlerin erinnerte beim Gipfel auch an die 890.000 Asylsuchenden, die im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind. Doch nicht nur in Deutschland müsse diesen Menschen geholfen werden, sondern auch bereits in ihrer Heimat. Dafür seien im Bundeshaushalt 2017 deutlich mehr Mittel vorgesehen als bisher.

Vor dem Gipfel hatten 50 Migrantenverbände ein Bundespartizipations- und -Integrationsgesetz, sowie die Einführung eines Rates zur interkulturellen Öffnung und die gesetzliche Verankerung des Diskriminierungsschutzes gefordert. Vielfalt müsse als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen werden. Diese Ideen griffen Merkel und Özoguz nicht auf.

Charlotte Potts

© Deutsche Welle 2016