Zivilisten fliehen massenhaft aus Rebellengebiet in Syrien

Knapp 20.000 Zivilisten sollen allein an einem Tag aus dem umkämpften Rebellengebiet Ost-Ghuta geflohen sein. Es wäre die größte Fluchtbewegung seit Beginn der Belagerung vor fünf Jahren. Ein UN-Bericht erhebt neue Vorwürfe gegen die syrische Regierung.

Am siebten Jahrestag der syrischen Revolution sind nach Angaben von Beobachtern knapp 20.000 Menschen aus dem schwer umkämpften Rebellengebiet Ost-Ghuta geflohen. «Das ist die größte Flucht aus der Region seit Beginn der Belagerung durch Regierungstruppen 2013», sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Donnerstag. Die Menschen seien über den Grenzübergang Hamuria in Auffanglager nahe der Hauptstadt Damaskus gebracht worden.

Die Kämpfe in dem Gebiet gingen unterdessen weiter. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana verbreitete Fotos, die mutmaßlich Menschen beim Verlassen von Ost-Ghuta zeigen. Auf dem Bildmaterial waren vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen zu sehen. Syrische Staatsmedien sprachen von rund 10.000 Menschen, die Ost-Ghuta verlassen hätten. Die russische Nachrichtenagentur Tass meldete, dass im Laufe des Donnerstags rund 13.000 Menschen das Gebiet verlassen sollten.

Die syrische Armee hatte zuvor die Kontrolle über Hamuria zurückgewonnen, nachdem sich eine Rebellengruppe aus der Stadt zurückgezogen hatte. In den vergangenen Tagen hatten bereits mehrere hundert Menschen Ost-Ghuta verlassen können. Das Gebiet erlebt seit mehr als drei Wochen eine der schwersten Angriffswellen der syrischen Streitkräfte. Seit Beginn der Operation Mitte Februar kamen Aktivisten zufolge rund 1.200 Zivilisten bei Bombardierungen ums Leben.

Trotz anhaltender Kämpfe erreichte erneut ein Hilfskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), des Syrischen Roten Halbmondes und der Vereinten Nationen (UN) das Gebiet. 25 Lastwagen mit Nahrungsmitteln und weiteren Hilfsgütern für 26.100 Menschen seien in der Stadt Duma ausgeladen worden, sagte eine UN-Sprecherin. Duma ist die größte Stadt der Region und wird von der islamistischen Rebellengruppe Dschaisch al-Islam kontrolliert.

Nach Berichten der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana beschossen Rebellen erneut die Hauptstadt Damaskus. Ein Zivilist soll dabei getötet, mehrere weitere verletzt worden sein, als drei Raketen in dem christlichen Viertel Bab Tuma in der Altstadt von Damaskus eingeschlagen seien.

Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu Syrien warf unterdessen vor allem Regierungstruppen und mit ihnen verbündeten Milizen schwere sexuelle Verbrechen vor. Die Kommission stellte am Donnerstag einen Bericht vor, nachdem Mädchen und Frauen missbraucht worden seien. Jungen und Männer seien mit Stöcken und Flaschen misshandelt worden. Auch oppositionelle Milizen begingen dem Bericht zufolge Verbrechen dieser Art, wenn auch deutlich weniger.

Mit den Misshandlungen sollten Geständnisse oder Informationen über Aufständische erpresst werden oder vermeintliche Einsätze für Oppositionskräfte bestraft werden, hieß es. Vergewaltigungen fänden bei Kampfeinsätzen, Hausdurchsuchungen, an Kontrollpunkten und in Gefängnissen statt. Die Kommission sprach mit 454 Überlebenden, Anwälten und Medizinern.

UNHCR-Sonderbotschafterin Angelina Jolie verurteilte die Uneinigkeit der Großmächte im Syrien-Krieg angesichts des Leids als Unmenschlichkeit. «Nach sieben Jahren des Krieges und der Grausamkeiten gibt es keine Entschuldigungen mehr», erklärte die US-Schauspielerin. Mächtige Staaten hätten nur zugesehen, wie das syrische Volk bombardiert, vergast, belagert ausgehungert, gefoltert und vertrieben worden sei. Die syrischen Flüchtlinge seien es leid, leere Versprechen und wohlwollende Erklärungen zu hören. (dpa)