Will Assad verhandeln oder verschleppen? Neue Genfer Syrien-Gespräche

Zum sechsten Mal treffen sich Syriens Regierung und Opposition in der Schweiz. Die Chancen auf einen Durchbruch sind erneut gering. UN-Vermittler de Mistura fehlt es an internationaler Unterstützung. Von Jan Kuhlmann

Als erfahrener Diplomat weiß UN-Syrienvermittler Staffan de Mistura eigentlich, wie er mit verfahrenen Situationen umgeht. Ein Leben lang hat sich der 70-Jährige im Auftrag der Vereinten Nationen mit Krisen dieser Welt geplagt - doch am Syrien-Konflikt beißt auch er sich seit Jahren die Zähne aus.

Auch an die am Dienstag begonnene neue Runde der Friedensgespräche unter UN-Vermittlung in Genf sind die Erwartungen gering. So gering, dass ein Reporter am Tag vor dem Start von de Mistura sogar wissen wollte, warum die Gespräche überhaupt noch fortgesetzt würden.

Die Frage ist berechtigt. Zu fünf Verhandlungsrunden haben sich Regierung und Opposition in der Schweiz getroffen - fünf Mal verließen sie das Land praktisch ohne Fortschritte. De Mistura schaffte es nicht einmal, die Kontrahenten zu direkten Verhandlungen in einen Raum zu bringen. Stattdessen wiesen sich beide Seiten die Schuld zu, für den Stillstand verantwortlich zu sein.

Vor allem die Regierung in Damaskus macht dem UN-Vermittler das Leben schwer, auch wenn dieser das öffentlich nicht zugeben würde. Syriens Chefunterhändler, UN-Botschafter Baschar al-Dschafari, versucht seit dem ersten Treffen, die Verhandlungen zu verschleppen, sehr gerne mit Verfahrensfragen. Und Syriens Präsident Baschar al-Assad lästerte vor kurzem in einem Interview mit dem weißrussischen Fernsehen, die Genfer Gespräche hätten noch keinerlei Ergebnisse gebracht: «Bis jetzt waren sie nur ein Treffen für die Medien.»

Auch diesmal spricht vieles dafür, dass die Regierungsdelegation kein Interesse an ernsthaften Verhandlungen zeigt. Die Armee und verbündete Milizen konnten zuletzt am Boden wichtige Erfolge erzielen. Zudem gelang es Assad, mehrere Gebiete nach Abkommen mit Rebellen unter Kontrolle zu bringen. Erst an diesem Sonntag begann der Abzug von Kämpfern und Einwohnern aus dem strategisch wichtigen Ort Kabun vor den Toren von Damaskus. Für den Machthaber ein weiterer Erfolg.

Erschwert wird de Misturas Aufgabe durch mangelnde internationale Unterstützung. Die USA nehmen seit Monaten nur die Rolle eines Nebendarstellers ein und überlassen Russland als wichtigstem Verbündeten Assads das Feld in dem mehr als sechsjährigen Bürgerkrieg mit mindestens 400.000 Toten. Noch immer ist in der Syrien-Politik von US-Präsident Donald Trump kein klarer Plan zu erkennen.

Überraschend kamen deshalb auch am Vorabend der neuen Verhandlungen Vorwürfe aus Washington, Syriens Regierung habe in dem berüchtigten Gefängnis Saidnaja Tausende Häftlinge hingerichtet und die Leichen verbrannt. Damaskus wies die Beschuldigung als erfundenen «Hollywoodroman» zurück. Doch die Opposition nahm den Ball dankbar auf. Die USA hätten Licht auf Verbrechen geworfen, zu denen nicht geschwiegen werden dürfre, sagte Oppositionssprecher Salim Muslat dem arabischen Nachrichtenkanal Al-Hadath am Rande der Verhandlungen in Genf. Darüber wollen Assads Gegner auch mit de Mistura reden.

Längst sieht sich der UN-Vermittler jedoch dem Vorwurf ausgesetzt, die wichtigeren Verhandlungen liefen in der kasachischen Hauptstadt Astana, wo Russland und der Iran als Verbündete der Regierung sowie die Türkei als Unterstützer der Opposition die Kontrahenten mehrfach zusammengerufen haben. Zuletzt einigten sich Moskau, Ankara und Teheran dort darauf, die Waffenruhe zu erneuern und Schutzzonen zu errichten. Zwar töteten ausgerechnet zum Beginn der Friedensgespräche Raketen der syrischen Armee östlich der Hauptstadt Damaskus mindestens sechs Menschen - trotzdem ging die Gewalt zuletzt zurück.

Darin könnte eine kleine Chance für de Mistura liegen, der den Astana-Prozess nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu den Genfer Gesprächen sieht. Jeder Rückgang der Gewalt könne nur dann aufrechterhalten werden, wenn es einen «politischen Horizont» gebe, sagte er vor dem Beginn der neuen Runde in der Schweiz.

De Mistura hält die Erwartungen gering. Am Dienstag traf er sich erst mit der Regierungsdelegation, dann mit der Opposition. Maximal bis Samstag sollen die Gespräche diesmal dauern und sich um vier große Themenblöcke drehen: eine Übergangsregierung, den Weg zu einer neuen Verfassung, freie Wahlen sowie Sicherheit und Terrorismus.

Um voranzukommen, will der UN-Vermittler die Gespräche nach außen abschotten. Er selbst wird auf Stellungnahmen für die Medien verzichten. Und auch die Kontrahenten rief er dazu auf, «nicht alle fünf Minuten mit dem Medien zu reden» - was sich vor allem bei der vielstimmigen Opposition als schwierig erweisen könnte.

Immerhin, dem syrischen Präsidenten attestieren der UN-Vermittler und sein Team ein Interesse an Verhandlungen. Erst vor Kurzem war de Misturas Stellvertreter Ramzy Ezzeldin Ramzy zu einem Sondierungstreffen in Damaskus. Dort habe er wahrgenommen, «dass sie konstruktiv mit allen unseren Vorschlägen umgehen werden», sagte der Ägypter. «Ich habe keinen Grund, das zu bezweifeln.» (dpa)