Weitere Vorwürfe gegen Ditib und türkische Religionsbehörde

Die Spionageaffäre um die türkische Religionsbehörde Diyanet und Deutschlands größten Islamverband Ditib weitet sich Medienberichten zufolge aus. Laut Informationen des "Spiegel" (Samstag) lieferten Bedienstete aus den türkischen Botschaften oder Generalkonsulaten Berichte über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen aus weiteren europäischen Staaten nach Ankara.

Dem Magazin liegen zusätzlich zu Berichten von Ditib-Imamen aus Deutschland auch Dokumente aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Belgien vor. Danach wurden nicht nur Namen von Personen übermittelt, sondern auch Hinweise auf Schulen, Kitas, Kultur- und Studentenvereine, die angeblich von der Gülen-Bewegung betrieben werden. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Staatsfeind. Präsident Erdogan macht sie für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte über enge Verbindungen der in Österreich ansässigen Türkischen Islamischen Union Atib mit Diyanet berichtet. Diyanet ist direkt dem türkischen Ministerpräsidenten unterstellt und auch für Ditib in Deutschland zuständig. In Deutschland hatte der Generalbundesanwalt am Mittwoch die Wohnungen von vier Ditib-Geistlichen durchsuchen lassen. Er verdächtigt sie der "geheimdienstlichen Agententätigkeit".

Nach Angaben des religionspolitischen Sprechers der Grünen, Volker Beck in der "Rheinischen Post" (Samstag) ermittelt die Bundesanwaltschaft derzeit gegen 16 Tatverdächtige. Viele von ihnen, darunter auch Ditib-Imame, seien nicht mehr in Deutschland, weil sie von der Diyanet vorzeitig abgezogen wurden, sagte Beck. Der Innenminister müsste aber verlangen, dass sie in Deutschland für die Ermittlungen zur Verfügung stehen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), forderte Konsequenzen. Ditib müsse sich von Ankara abnabeln, verlangte Özoguz im "Spiegel". "Der türkische Staat darf nicht das Vorstandspersonal eines deutschen Islamverbands stellen." Auch die Imame des Ditib-Verbands dürften langfristig nicht mehr aus Ankara nach Deutschland entsandt werden. "Spätestens in zehn Jahren sollten bei Ditib nur noch in Deutschland ausgebildete Imame predigen", sagte Özoguz. Zugleich riet sie, den Dialog mit Ditib nicht abzubrechen. Dafür sei der Islamverband mit seinen rund 900 Moscheen zu wichtig.

Unterdessen wies Diyanet-Präsident Mehmet Görmez die Vorwürfe in scharfen Tönen zurück. In einer von der türkischen Botschaft in Berlin verbreiteten Erklärung sprach er von einer unnützen "Hetzkampagne". Seine Behörde kümmere sich seit über 40 Jahren um das religiöse Leben von Muslimen in Europa. Diyanet fühle sich zur politischen Neutralität verpflichtet und achte "stets die juristischen Normen seines Gegenübers".

Volker Beck nannte die Kritik der Diyanet und einiger türkischer Minister an den Ermittlungen gegen Ditib eine "Frechheit". Den Verantwortlichen fehle offenbar "jedes Unrechtsbewusstsein". (KNA)