Weihnachten in Bethlehem: Griff nach den Sternen

Zu Weihnachten schaut die Welt nach Bethlehem. Die Geburtsstadt Jesu kämpft mit Problemen. Die israelische Siedlungspolitik und verfehlte Tourismuskonzepte machen den Menschen zu schaffen. Doch es gibt auch Lichtblicke.

Idyllisch muss es ausgesehen haben, das Bethlehem der osmanischen Zeit. Khalil Shoka zeigt mit ausladender Geste auf heute dicht bebaute Hügel: "Hier waren noch bis ins 19. Jahrhundert Felder." Auf schmalen Pfaden kamen damals die Besucher durch das historische Al-Zarara-Tor am Ende der Sternenstraße, dessen Pforten nachts geschlossen wurden.

Als Pilger besuchten sie die heiligen Stätten der Christenheit, als Bauern und Händler schätzten sie die Märkte des regionalen Wirtschaftszentrums Bethlehem. Heute hingegen geht es ruhig zu in der Sternenstraße. Die metallene Tore im verblichenen Türkis sind geschlossen, ebenso die Läden, die sich hinter ihnen verbergen. Ihre Glanzzeiten, sagt der Bethlehemer Historiker, erlebten sie in den 1950er und 60er Jahren.

Seither hat sich das Wirtschaftszentrum aus der Altstadt hinaus verlagert. Viele angestammte Familien haben die Stadt nach Lateinamerika verlassen. Versuche der Kampagne "Bethlehem 2000", die idyllische Straße aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken, scheiterten am Ausbruch der zweiten Intifada. Seither hat sich der Tourismus in der Geburtsstadt Jesu längst erholt. Die Branche blickt trotz der unruhigen politischen Großwetterlage in Nahost zufrieden auf das laufende Jahr. Mit neuen Initiativen sollen auch die alten Pilgerwege wiederbelebt werden.

Idyllisch wäre das Grünland rund um Bethlehem auch heute - wären da nicht israelische Siedlungen auf beinahe jedem Hügel, "18 Siedlungen insgesamt, mit einigen sehr prominenten Siedlern", sagt PLO-Mediensprecher Xavier Abu Eid. Und wäre da nicht das geplante neue Teilstück der Sperranlage, mit dessen Bau Israel bereits begonnen hat. Mit dem Cremisan-Tal droht es ein weiteres Stück Grüne Lunge von Bethlehem abzuschneiden.

Die Auswirkungen der israelischen Abriegelungspolitik sind nur eine der Herausforderungen, vor denen Bethlehem bei seinem Neuaufbruch steht. Der Fokus auf den Massentourismus ist ein Dorn im Auge vor allem der jungen und alternativen Initiativen. Kaum mehr als eine Stunde verbringen die meisten Gruppenreisenden in der Stadt, kritisiert etwa Tourismusexperte Fadi Kattan: Raus aus dem Bus, rein in die Geburtskirche und anschließend noch in eines der großen Souvenirgeschäfte außerhalb der Altstadt. Im Herzen der Stadt bleibt somit wenig von den Besuchern.

Die Verarbeitung von Perlmutt und Olivenholz sind wie eh die traditionellen Handwerke Bethlehems. Aber die Handwerker stehen unter Druck. Ausländische Importe schwemmen auf den einheimischen Markt, die lokalen Produkte können mit der billigen Massenware kaum konkurrieren. Den Ausweg sehen die kreativen Köpfe in einer Nische: den Individualtouristen. "Sie verbringen mehr Zeit in der Stadt, gehen gezielt an Orte, die sonst eher vernachlässigt werden, und setzen auf einheimische Produkte", sagt der Direktor von "Visit Palestine", das in der Sternenstraße neben einer alternativen Touristeninformation ein Cafe betreibt und im dazugehörigen Laden die Produkte von 90 lokalen Produzenten verkauft.

"Vom Hof auf den Teller" heißt eine ähnliche Initiative. Sie will Besuchern abseits des Massentourismus hohe Kochkunst in historischem Ambiente bieten. Damit, sagen die Betreiber, ziele man "auf einen Markt, auf den noch niemand gesetzt hat". Ein anderes Bild von Bethlehem, "nicht nur Pilgerziel, sondern Welterbe", soll so entstehen.

Zu den fast vergessenen Künsten Bethlehems gehört das Ikonenschreiben, und es ist wohl kein Zufall, dass die vor einigen Jahren gegründete Ikonenschule ausgerechnet in einem "Hosh", einem traditionellen Wohnkomplex, in der Sternenstraße seinen Platz gefunden hat. Mit der Rückkehr der Ikonen sind auch erste Diaspora-Bethlehemer wieder in die Stadt gekommen. Von Grund auf erlernen sie das alte Handwerk in der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen und spirituellen Neuanfang.

Ein bisschen sind sie wie ein Fenster zum Potenzial der traditionsreichen Stadt: Die Kapelle der Schule, in leuchtenden Farben von den Studenten mit einer Weihnachtsszene ausgemalt, lädt mit weit geöffneten Toren die Passanten der Sternenstraße zum Verweilen ein. Nach und nach, hofft man in Bethlehem optimistisch, werden sich weitere Tore öffnen. (KNA)