Viele Rohingya-Flüchtlinge fürchten Rückführung aus Bangladesch

"Jesus Christus heißt heute Rohingya", so formulierte es Papst Franziskus. Ab Januar könnten die geflüchteten Angehörigen der muslimischen Minderheit in ihre Heimat zurückgeführt werden. Helfer sind jedoch skeptisch.

"Alles ist verbrannt, unser Land und unser Vieh", sagt Rukia. Romida sorgt sich um ihre Kinder: Sobald sie Soldaten sehen, glauben sie, sie müssten sich wieder verstecken. Für Younis steht fest: "Ich kann nicht zurückgehen." Über 200 Rohingya-Flüchtlinge haben Helfern von der Entwicklungsorganisation Oxfam ihre Geschichte erzählt. Das Ergebnis, der Bericht "I still don't feel safe to go home" ("Ich fühle mich immer noch nicht sicher dabei, nach Hause zu gehen"), wird am Montag veröffentlicht. Er ist erschütternd - und macht deutlich, wie schwierig die geplante Rückführung der Rohingya ab Ende Januar werden könnte.

Denn die Bedingungen in den Flüchtlingslagern in Bangladesch sind zwar katastrophal - aber viele Flüchtlinge können sich eine Rückkehr nach Myanmar nicht vorstellen. Einige Befragte sind den Angaben nach bereits zum dritten Mal aus ihrem Heimatland geflohen. Ohne dass ihnen Sicherheit und gleiche Rechte garantiert werden, wollen sie jedoch nicht zurückkehren. Die 20-jährige Fatima findet drastische Worte: "Wenn wir gezwungen werden zu gehen, verbrennen wir uns selbst." Nach Einschätzung von Oxfam spricht sie vielen Betroffenen aus der Seele.

600.000 Angehörige der muslimischen Minderheit wurden seit Ende August gewaltsam von der Armee aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar nach Bangladesch vertrieben. Allein zwischen dem 25. August und dem 24. September wurden nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen mindestens 6.700 Rohingya im Bundesstaat Rakhine gewaltsam getötet. Diese Zahl sei vermutlich noch zu gering geschätzt, erklärte die Organisation.

Unlängst vereinbarten Bangladesch und Myanmar, ab Ende Januar 2018 Rohingya-Flüchtlinge zurück zu bringen. Ärzte ohne Grenzen bezeichnete das Abkommen als realitätsfern. Zuerst müssten die Sicherheit und die Einhaltung der Rechte der Minderheit garantiert werden. Ähnlich sieht es Oxfams Nothilfe-Koordinator für Asien, Paolo Lubrano: Dass einige Flüchtlinge sich eher das Leben nehmen würden als zurückzukehren, "zeigt, wie dringlich es ist, eine gerechte und dauerhafte Lösung für die jahrzehntelange Unterdrückung der Rohingya zu finden".

Die Helfer sind sich einig, dass die Rohingya nicht zu einer Rückkehr gezwungen werden dürfen. Sie würden nur dann zurückkehren, "wenn man ihnen die Staatsbürgerschaft wieder zuerkennt", sagte der Südasienreferent von medico international, Thomas Seibert. Eben diese hatte Myanmar der muslimischen Minderheit vor Jahrzehnten aberkannt. Auch müsse das mehrheitlich buddhistische Land den Geflüchteten ihr Eigentum zurückerstatten, so Seibert.

Menschenrechtler dringen zudem auf eine Aufarbeitung. Es sei zu klären, ob die "begangenen Verbrechen auch den Tatbestand des Völkermords erfüllen", erklärte der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius. Nach Einschätzung des UN-Menschenrechtshochkommissars Said Raad al-Hussein könnte dies durchaus der Fall sein.

Unterdessen beschreiben Helfer auch die Lage in den Flüchtlingscamps in Bangladesch als unhaltbar. Beispielsweise seien 20.000 Latrinen ohne Konzept und ohne Einhaltung internationaler Standards errichtet worden, so Oxfam. Nach drei Monaten lebten die allermeisten Flüchtlinge weiterhin in überfüllten Lagern - unter mangelhaften Hygienebedingungen und ohne Infrastruktur wie Beleuchtung, die aus Sicherheitsgründen existenziell wäre.

Alle von Oxfam Befragten erklärten, dass sie in den Camps insbesondere bei Nacht um ihre Sicherzeit fürchten. Mehr als die Hälfte berichtete, Mädchen und Frauen seien von Fremden angesprochen worden und später verschwunden. Viele Frauen fürchten, ihnen könnte ähnliches passieren.

Eine sichere Rückkehr der Flüchtlinge wird laut Oxfam nicht ohne internationalen Druck möglich sein. Die Staatengemeinschaft dürfe länger untätig zusehen, "wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungestraft begangen werden", mahnte Lubrano. Es brauche "eine diplomatische Initiative gegenüber den Regierungen von Bangladesch und Myanmar, um diese Krise endlich zu beenden". (KNA)

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