Verfassungsschutz warnt vor radikalisierten Kindern aus islamistischen Familien

Der Verfassungsschutz warnt vor radikalisierten Kindern aus islamistischen Familien in Deutschland. Die Sozialisation von Kindern durch ein islamistisches familiäres Umfeld sei "besorgniserregend", sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Montag.

Im Bundesinnenministerium gibt es nach Angaben einer Sprecherin Überlegungen, die Altersgrenze von 14 Jahren für die Beobachtung radikalisierter Kinder weiter abzusenken. Linkspartei und Grüne lehnten dies ab.

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes werden solche Kinder "von Geburt an mit einem extremistischen Weltbild erzogen, welches Gewalt an anderen legitimiert und alle nicht zur eigenen Gruppe Gehörigen herabsetzt", zitierten die Funke-Zeitungen aus einer Analyse des Inlandsgeheimdienstes. Es gehe um eine "niedrige dreistellige Zahl" islamistischer Familien mit mehreren hundert Kindern. Diese stellten "ein nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial" dar.

Es gebe Anzeichen für eine "schnellere, frühere und wahrscheinlichere Radikalisierung von Minderjährigen und jungen Erwachsenen", heißt es demnach in der Analyse. Gefahren gingen auch von jenen Familien aus, die nicht in Kampfgebiete in Syrien oder im Irak ausgereist seien, sondern sich kontinuierlich in Deutschland aufgehalten hätten.

Die Altersgrenze zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz war im Jahr 2016 von 16 auf 14 Jahre gesenkt worden. Es gebe "durchaus Anhaltspunkte dafür", diese Grenze weiter herabzusetzen, sagte die Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Montag und verwies auf Vorfälle mit radikalisierten Minderjährigen, ohne konkrete Fälle zu nennen. Bei der Absenkung des Mindestalters gehe es letztlich um die Speicherung der Betreffenden im nachrichtendienstlichen Informationssystem Nadis.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), sagte den Funke-Zeitungen, sehr junge Menschen seien in die Krisenregionen in Syrien und dem Irak gereist, um sich an Terrorismus zu beteiligen. "Auch in Deutschland selbst hat im November/Dezember 2016 ein Zwölfjähriger einen Sprengstoffanschlag unternommen." Der CDU-Sicherheitspolitiker Patrick Sensburg sagte den Zeitungen: "Hier geht es nicht um die Kriminalisierung von Personen unter 14 Jahren, sondern um die Abwehr erheblicher Gefahren für unser Land."

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte der Zeitungsgruppe, die aus den Kriegsgebieten zurückgekehrten Jungen und Mädchen hätten oft Gewalt erlebt und seien im schlimmsten Fall radikalisiert. Die Behörden bräuchten daher Instrumente, "um auch traumatisierte und gewaltbereite Rückkehrer unter 14 Jahren in den Blick nehmen zu können".

Scharfe Kritik kam aus der Linksfraktion. Deren innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke wandte sich gegen eine "Stigmatisierung von Kindern" aus vermeintlich islamistischen Familien. "Die Schnüffler haben in Kinderzimmern nichts verloren - und das muss auch so bleiben", forderte Jelpke. Traumatisierte Kinder, die aus Kriegsgebieten nach Deutschland kämen, bräuchten psychologische Betreuung.

Ablehnend äußerte sich auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Die Forderung nach der Beobachtung von Kindern sei "nicht nur rechtsstaatlich mehr als bedenklich, sondern geht auch an der Sache vorbei", sagte er den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Er verwies auf die Strafmündigkeit erst ab dem 14. Lebensjahr. Nötig seien stattdessen "mehr Präventionsarbeit" sowie eine Stärkung der Kinder- und Jugendhilfe. (AFP)