UN-Hilfskonvoi erreicht syrisches Ost-Ghuta

46 Lastwagen fuhren in Damaskus los, um dringend benötigte Hilfe für Zehntausende ins belagerte Ost-Ghuta zu bringen. Doch drei Wagen waren fast leer - weil die syrische Regierung Güter aussortierte. Von Benno Schwinghammer

Erstmals seit der Eskalation der Gewalt im belagerten Ost-Ghuta hat eine große Hilfslieferung die syrische Region erreicht. Einige lebensrettende medizinische Produkte ließ die syrische Regierung allerdings nicht durch.

Ein Konvoi aus Dutzenden Lastwagen sei am Montag in das heftig umkämpfte Gebiet bei Damaskus nahe der Stadt Duma eingefahren, sagte die Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Ingy Sedki, der Deutschen Presse-Agentur. Die Lieferung besteht nach Angaben des UN-Nothilfebüros Ocha unter anderem aus Nahrung für 27.500 Menschen.

Viele medizinische Güter mussten auf Druck der syrischen Regierung aus der Lieferung genommen werden, wie Ocha berichtete. Sie durften auch nicht durch andere Gegenstände ersetzt werden. Dadurch seien drei der 46 Lastwagen, die am Morgen losgefahren waren, fast leer gewesen. Der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge waren unter den blockierten Hilfsgütern das gesamte Material für die Behandlung von Verletzungen und für Operationen sowie Insulin und Dialyse-Artikel.

Ost-Ghuta vor den Toren der Hauptstadt Damaskus hat seit Mitte Februar die heftigsten Luftangriffe der Regierung seit Beginn des Syrien-Krieges 2011 erlebt. Auch am Tag der Hilfslieferung gingen die Bombardements weiter: Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden allein am Montag mindestens 68 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt.

Insgesamt starben nach Angaben der Beobachtungsstelle in den vergangenen beiden Wochen mehr als 760 Zivilisten durch Bombardements und Artilleriebeschuss, darunter mindestens 172 Kinder. Fast 4.000 Menschen - meist Frauen und Kinder - seien verletzt worden und auf medizinische Versorgung angewiesen. Über gefallene Kämpfer dort gibt es keine entsprechenden Angaben.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte die Lage in Ost-Ghuta als «Hölle auf Erden» bezeichnet. Bewohner berichteten, es fehle an Essen, Wasser und Strom. Ärzten mangele es an Material, sie müssten wegen der großen Anzahl Verletzten sehr lange am Stück arbeiten. In dem seit 2013 von der Regierung belagerten Ost-Ghuta sollen etwa 400.000 Menschen eingeschlossen sein.

Am Wochenende verschärften sich auch die Bodenkämpfe in der Region. Der Beobachtungsstelle zufolge konnten Einheiten der Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad etwa 40 Prozent des Rebellengebietes im Osten erobern. Nach den heftigen Bombardierungen des Gebietes will die syrische Armee Ost-Ghuta nun offensichtlich erobern. Die Lage erinnert an das 2016 von Assads Truppen gestürmte Aleppo. Hunderte Familien flohen vor den Kämpfen in andere Teile der Region.

Der UN-Menschenrechtsrat verlangte angesichts der Gewalt eine Untersuchung. In einer Resolution forderte er, dass diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden müssten, die Menschenrechte verletzt hätten. UN-Hochkommissar Said Raad al-Hussein hatte die Angriffe auf Zivilisten als mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet.

Die Regierung wirft den Rebellen dagegen immer wieder vor, die Hauptstadt Damaskus zu beschießen. Ost-Ghuta wird von verschiedenen, mehrheitlich islamistischen Rebellengruppen kontrolliert. Unter ihnen sind auch Kämpfer von Gruppen mit Verbindung zum Terrornetzwerk Al-Qaida.

In den kommenden Tagen sollen weitere Hilfslieferungen nach Ost-Ghuta folgen. «Die UN und ihre Partner haben die Genehmigung erhalten, Hilfe für 70.000 Menschen in Not zu liefern», hieß es in einer Ocha-Mitteilung. An dem Konvoi vom Montag waren auch der Syrische Rote Halbmond und mehrere UN-Agenturen beteiligt. Die Vereinten Nationen lieferten das letzte Mal am 14. Februar Hilfe für etwa 7.200 Menschen nach Ost-Ghuta.

Die Forderung des UN-Sicherheitsrates Ende Februar nach einer 30 Tage langen Waffenruhe für ganz Syrien zeigte bislang kaum Wirkung. Allerdings vermindert die syrische Regierung nach Ankündigung ihres Verbündeten Russland ihre Angriffe seit einer Woche täglich für eine fünfstündige Feuerpause. Während dieser traf am Montag auch die Hilfslieferung ein. Die Vereinten Nationen hatten wiederholt beklagt, dass das Zeitfenster für größere Hilfslieferungen zu kurz sei. (dpa)