UN befürchten Eskalation an syrisch-türkischer Grenze

Die Vereinten Nationen rechnen mit einer weiteren Eskalation der Flüchtlingskrise an der syrisch-türkischen Grenze. Die anhaltende Gewalt rund um die nordsyrische Metropole Aleppo drohe noch mehr Menschen in die Flucht zu schlagen, warnte William Spindler, Sprecher des Flüchtlingshilfswerks UNHCR, am Dienstag in Genf.

Während die Türkei nur schwer verletzte Syrer ins Land lässt, wird Hilfsorganisationen zufolge im Grenzgebiet das Essen knapp. EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, Russlands jüngstes militärisches Eingreifen in den Syrien-Konflikt mache eine bereits sehr schlimme Situation noch schlimmer.

Als direkte Folge russischer Luftangriffe «fliehen Tausende weitere Flüchtlinge Richtung Türkei und Europa», sagte Tusk in Brüssel. Zugleich gewinne dank der russischen Unterstützung das Regime von Präsident Baschar al-Assad an Boden, während die moderate Opposition zurückgedrängt werde. Im Verbund mit der schiitischen Hisbollah-Miliz stehen die Regierungstruppen kurz davor, sämtliche Nachschubwege von der türkischen Grenze nach Aleppo abzuschneiden.

Nach UN-Angaben sind mehr als 30.000 Menschen vor den Kämpfen rund um die größte Stadt Syriens geflohen. Die Türkei hat erklärt, dass sie keine neuen Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufnehmen könne.

UNHCR-Sprecher Spindler betonte, die Haltung der Türkei sei verständlich. Das Land biete bereits mehr als zwei Millionen syrischen Flüchtlingen Zuflucht. Die Grünen-Europapolitikerin Barbara Lochbihler sieht die türkische Regierung jedoch in der Pflicht und kritisierte die Grenzschließung. Ankara müsse Möglichkeiten schaffen, die Menschen ins Land zu lassen, forderte Lochbihler im Südwestrundfunk.

Aufgrund der Kampfhandlungen im Norden des Bürgerkriegslandes sind etliche Zufahrtsstraßen nicht passierbar, teilte das Welternährungsprogramm mit. Viele der gestrandeten Menschen seien von Hilfslieferungen abgeschnitten. Die Lage der Menschen sei sehr besorgniserregend. Auch in den Städten an der syrisch-türkischen Grenze werden die Nahrungsmittel zunehmend knapp. Die Vertriebenen brauchten Zelte, Decken und sauberes Trinkwasser, erklärte die Organisation «Ärzte ohne Grenzen» in Berlin. Zurzeit lebten beinahe 80.000 Menschen im Grenzgebiet.

Die Organisation äußerte sich auch besorgt über die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge. Viele ihrer Einrichtungen in der Region hätten ihre Arbeit einschränken müssen, weil auch Angestellte geflohen seien. Trotz der Gefahren hat das Welternährungsprogramm nach eigenen Angaben mit der Lieferung von Lebensmitteln an Bedürftige begonnen. Die Hilfstransporte seien in der Türkei gestartet und passierten die Grenze zu Syrien, sagte eine Sprecherin. In den nächsten Tagen sollen rund 21.000 Menschen mit Reis, Linsen, Nudeln, Bohnen, Zucker und Speiseöl versorgt werden. Zudem sollen fertige Mahlzeiten geliefert werden, da viele Flüchtlinge keine Kochmöglichkeiten hätten.

Die Vereinten Nationen wollen ihre humanitäre Hilfe an den notdürftig eingerichteten Camps am Grenzübergang Bab al-Salmeh so schnell wie möglich aufstocken. Der UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien appellierte an Syriens Kriegsparteien, das Leben der Zivilisten zu schonen und Helfern uneingeschränkten Zugang zu den Bedürftigen zu gewähren.

In Syrien kämpfen der Diktator Baschar al-Assad mit russischer Unterstützung, Rebellen und Terroristen um die Macht. In dem gut fünf Jahre dauernden Konflikt sind bisher schätzungsweise 260.000 Menschen ums Leben gekommen, Millionen Syrer sind auf der Flucht. (epd)

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