Türkisches Verfassungsgericht erlaubt religiöse Eheschließungen

Das türkische Verfassungsgericht hat die Rolle religiöser Eheschließungen in dem muslimischen Land gestärkt. In einer Mehrheitsentscheidung hoben die Richter eine bisher geltende Regelung auf, nach der die sogenannten Imam-Ehen erst nach der standesamtlichen Hochzeit geschlossen werden dürfen, wie türkische Medien (Freitag) berichten. Die religiöse Heirat hat keine rechtliche Bedeutung, wird in islamisch-konservativen Kreisen aber häufig als bindend angesehen. Bislang wurde die Schließung einer Imam-Ehe ohne vorherige standesamtliche Hochzeit mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft.

Die Richter argumentierten laut der Zeitung «Hürriyet», dass die gesetzliche Beschränkung für die Imam-Ehen dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Schließlich seien auch nichteheliche Partnerschaften ohne standesamtliche Hochzeit erlaubt. Noch 1999 hatte das Gericht das Verbot der Imam-Ehen vor der standesamtlichen Hochzeit bestätigt.

Kritiker wie der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Mustafa Bumin befürchten, dass nach der Aufhebung des Verbots nun in vielen Fällen nur noch religiös geheiratet wird. Das werde vor allem Frauen und Kinder etwa bei der Durchsetzung von Unterhaltszahlungen erheblich benachteiligen, sagte Bumin der «Hürriyet».

Auch das Leid der sogenannten Kinderbräute könnte sich vergrößern: Wenn Mädchen vor dem gesetzlichen Mindestalter von 16 Jahren von ihren Familien verheiratet werden, geschieht dies im Rahmen der jetzt aufgewerteten Imam-Ehen. Unter den Verfassungsrichtern ist das neue Urteil ebenfalls umstritten. «Hürriyet» zufolge votierten 4 der 16 Richter für eine Beibehaltung des Verbots. (KNA)