Türkischer Parlamentspräsident fordert islamische Verfassung

Der Ruf des türkischen Parlamentspräsidenten Ismail Kahraman nach einer islamischen Verfassung hat zu Protesten und scharfer Kritik im ganzen Land geführt. In Ankara, Istanbul und Izmir ging die Polizei am Dienstag hart gegen Demonstranten vor, die skandierten: "Die Türkei ist säkular und wird es auch bleiben". Auch Staatschef Recep Tayyip Erdogan distanzierte sich klar von Kahrmans Forderung.

Dieser hatte am Montag bei einer Konferenz in Istanbul gesagt: "Wir sind ein muslimisches Land. Als Konsequenz müssen wir eine religiöse Verfassung haben." Der Säkularismus dürfe in der neuen Verfassung keine Rolle mehr spielen.

Der islamisch-konservativen AKP wird seit ihrer Machtübernahme 2002 vorgeworfen, Staat und Gesellschaft islamisieren zu wollen. Präsident Erdogan plant bereits seit längerem, die noch vom Militär geschriebene Verfassung von 1982 zu ändern, um aus der Türkei eine Präsidialdemokratie zu machen.

Er wurde am Dienstag bei einem Besuch in Kroatien von der Kontroverse überrascht. Sein Parteifreund Kahraman habe "seine persönliche Meinung" kundgetan, hob er hervor. Für ihn sei klar: "Der Staat hält den gleichen Abstand zu allen religiösen Gruppen. Das ist die Laizität."

Auch Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu widersprach der Forderung des Parlamentspräsidenten vehement. Der vom Staatsgründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, eingeführte Säkularismus sei wichtig, damit jeder frei seine Religion ausüben könne, sagte der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP). Eine Abkehr vom Säkularismus komme nicht in Frage, solange die CHP im Parlament sei.

Aus Protest gegen Kahraman versammelten sich schon am Dienstagmorgen mehr als hundert Demonstranten vor dem Parlament, doch wurden sie von der Polizei mit Tränengas auseinander getrieben. In Istanbul waren es am Abend rund 300 Menschen, dort setzte die Polizei Plastikgeschosse ein, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP beobachtete. Auch im westlichen Izmir kam es zu Protesten.

Erdogan arbeitet intensiv an seinem Plan, die Verfassung zu ändern, um seine Macht auszubauen. Zwar hat seine AKP im Parlament die absolute Mehrheit, doch reicht diese nicht, um die Verfassung im Alleingang zu ändern. Die Oppositionsparteien lehnen es ab, Erdogans Amt aufzuwerten. Sie werfen ihm schon jetzt ein Abgleiten in eine autoritäre Herrschaft vor. (AFP)