Terror in Damaskus: Anschlag im Herzen des syrischen Systems

Die syrische Regierung versucht alles, um den Krieg von der Hauptstadt Damaskus fernzuhalten und Normalität zu zeigen. Doch der jüngste Anschlag zeigt: Der Terror ist näher, als viele wahrhaben wollen. Von Simon Kremer

Als die Autobombe am Rande der Altstadt von Damaskus explodiert, sitzt Salah mit fünf Freunden in einem kleinen Laden nahe der berühmten Umayyaden-Moschee und frühstückt Gurken und Oliven. Es ist der erste Arbeitstag nach den Feiertagen zum Ende des Ramadan in der vergangenen Woche. Die Menschen sind wieder unterwegs, als der Terror die syrische Hauptstadt trifft und mehr als 20 Menschen tötet.

In Damaskus könne immer etwas passieren, sagt Salah, der einen kleinen Laden in der Altstadt hat, wo er Tücher und Schmuck verkauft. «Aber eigentlich ist es hier sehr ruhig - wir sind hier wie die Schweiz.» Vom Krieg und den Kämpfen, die es sonst überall in Syrien gebe, bekomme man in der Hauptstadt kaum etwas mit, sagt der Mittvierziger.

Und tatsächlich hat sich Damaskus in den Jahren des Krieges kaum verändert. Die Straßen sind sogar aufgeräumter und sauberer, als sie es vor dem Krieg waren. Im christlichen Viertel eröffnen mehr und mehr Bars und Läden, die Alkohol ausschenken. Nur die Kontrollpunkte der Armee, die überall in der Stadt verteilt sind und an denen Fahrzeuge und Kofferräume penibel kontrolliert werden, lassen erahnen, dass auch Damaskus im Ausnahmezustand ist. Die Regierung versucht dennoch alles, um das Bild einer intakten und freien Hauptstadt aufrechtzuerhalten.

Dabei kommt es auch in Damaskus immer wieder zu Anschlägen. Erst im März dieses Jahres starben bei mehreren Anschlägen mehr als 100 Menschen. Damals sprengten sich Attentäter unter anderem vor dem Justizpalast in die Luft, ein anderer Anschlag zielte auf schiitische Pilger.

Jetzt explodierte erneut eine Autobombe im Zentrum von Damaskus, nahe des Tahrir-Platzes, der nur ein paar Straßen von der belebten und historischen Altstadt entfernt liegt. Mehrere Autos brannten völlig aus, die Scherben rissen Löcher in die umliegenden Fassaden der Wohnhäuser, Scheiben zerbarsten.

«Es stimmt schon: In jedem Haus, in jeder Familie ist jemand gestorben oder wird vermisst», sagt Tuchhändler Salah. Auch sein Freund, mit dem er den Laden jahrelang führte, starb an einem Herzinfarkt, weil er nicht schnell genug ins Krankenhaus kam. Salah zieht den Ausschnitt seines T-Shirts herunter und zeigt eine lange Narbe, die von seiner eigenen Herzoperation stammt. «Hier in Syrien hat jeder ein gebrochenes Herz.»

Neben der Bedrohung durch Anschläge ist es aber vor allem die wirtschaftliche Lage, die den Menschen in der Hauptstadt zu schaffen macht. Die Preise haben sich seit Beginn der Krieges vor mehr als sechs Jahren fast verzehnfacht. Die Touristen bleiben schon lange aus. Salah hat daher ein neues Geschäftsfeld aufgetan: Viele Syrer, die mittlerweile ins Ausland geflohen sind, bestellten bei ihm Tücher und Schmuck, um sie im Ausland zu verschenken. Er verschicke viel auch nach Deutschland, erzählt er stolz.

Damaskus ringt um Normalität. Die Restaurants und Bars in der syrischen Hauptstadt sind proppevoll. Es ist teilweise schwer, einen Platz zu bekommen. Die Menschen sind müde vom Krieg, der jedoch nicht weit entfernt ist. Während sie auf den Dachterrassen und in den Parks sitzen, hört man die syrische Artillerie und Kampfflieger, die die Rebellen bombardieren. Nur zwei Kilometer von der Altstadt entfernt halten sich Rebellen noch im Stadtteil Dschubar, im Osten der Stadt, auf. Es kommt immer wieder zu Gefechten.

Ein Restaurant in der Altstadt hat ein Zitat des Schriftstellers Mark Twain vorne auf die Speisekarte gedruckt: «Für Damaskus sind Jahre nur Momente. Jahrzehnte huschen vorbei. Die Stadt misst Zeit nicht in Tagen, Monaten und Jahren, sondern in Imperien, die sie hat aufsteigen und zu Ruinen zerfallen sehen.» Aber auch in Damaskus selbst gibt es nach den Kämpfen und Anschlägen immer häufiger zerstörte Gebäude. (dpa)