Tempelberg-Streit lässt schwelenden Nahost-Konflikt neu aufflammen

Nicht umsonst gilt der Tempelberg in Jerusalem als Pulverfass im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Immer wieder entzünden sich blutige Gewaltwellen am Streit um die heilige Stätte. Von Sara Lemel

Das neue Blutvergießen in Nahost war eine absehbare Tragödie. Israels Inlandsgeheimdienst Schin Bet und andere Sicherheitsexperten hatten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Medienberichten eindringlich gewarnt, der Streit um Metalldetektoren am Tempelberg könne gefährlich eskalieren. «Das Menetekel stand an der Wand geschrieben», schrieb ein Kommentator der Zeitung «Jediot Achronot» am Sonntag.

Bis zur letzten Minute gab es fieberhafte Beratungen, wie die neue Krise um die heilige Stätte zu lösen sei. Doch dann nahm das Unheil seinen Lauf - nach den Freitagsgebeten explodierte die Gewalt. Vier tote Palästinenser und Hunderte Verletzte bei Unruhen, drei tote Israelis bei einem blutigen Anschlag in einer Siedlung.

Am Sonntag kündigte Netanjahu bei einer Dringlichkeitssitzung seiner Regierung die rasche Zerstörung des Hauses an, in dem der 19 Jahre alte Attentäter wohnte, sowie angemessene Sicherheitsmaßnahmen. Israels Polizei installierte am Sonntagmorgen zusätzlich Überwachungskameras am Eingang des Tempelbergs - diese Maßnahme lehnen die Palästinenser aber ebenfalls ab.

Die umstrittene Aufstellung der Metalldetektoren rechtfertigt Israel mit Sicherheitserwägungen - nach einem tödlichen Anschlag auf zwei israelische Polizisten, den drei Attentäter am 14. Juli von der heiligen Stätte aus verübten.

In den Augen der Palästinenser sind die Metalldetektoren jedoch eine unerträgliche Provokation. Sie werten die Kontrollen als Versuch Israels, mehr Einfluss über das Plateau zu gewinnen, das beiden Seiten heilig ist, aber islamischer Kontrolle untersteht.

«Wir lehnen die Metalldetektoren ab, weil sie ein politischer Akt unter dem Deckmantel von Sicherheitsmaßnahmen sind, der auf eine Kontrolle der Al-Aksa-Moschee abzielt», sagte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Ahmed Abul Gheit, Generalsekretär der Arabischen Liga, warnte Israel am Sonntag vor einem breiteren Konflikt mit der arabischen und islamischen Welt. Es besteht auch die Sorge, die Krise könnte Israels Beziehungen zum jordanischen Nachbarn schaden, dem Hüter der islamischen Stätten in Jerusalem.

Der populäre israelische Oppositionspolitiker Jair Lapid warf dagegen der Palästinenserführung und der für den Tempelberg zuständigen islamischen Stiftung Wakf vor, die Gewalt gezielt anzufachen.

«Die Tatsache, dass Leute so tun, als ob Metalldetektoren, die Unschuldige schützen sollen, einen Angriff auf den Islam oder die Gebetsfreiheit darstellten, ist einfach schreckliche Hetze, die Gewalt und sinnlosen Tod verursacht», sagte er am Samstag.  Palästinensische Repräsentanten hatten die explosive Lage weiter angeheizt, indem sie Muslime zum Massengebet auf dem Tempelberg aufforderten.

Abbas brach nach den Unruhen am Freitag alle Kontakte zu Israel ab - dies betrifft erstmals auch die wichtige Sicherheitszusammenarbeit beider Seiten. Ob es langfristig dabei bleibt, ist allerdings unklar. Bereits im September 2015 hatte Abbas in einer dramatischen Erklärung die Friedensabkommen mit Israel aufgekündigt. Die Zusammenarbeit ging dennoch weiter.

Klar ist jedoch, dass das Brachliegen von Friedensverhandlungen beider Seiten seit inzwischen mehr als drei Jahren ein gefährliches Vakuum schafft, das immer neue Gewaltausbrüche begünstigt.

Im neuen Jahresbericht des US-Außenministeriums zu Terrorismus heißt es, die palästinensische Gewalt werde auch angeheizt durch einen «Mangel an Hoffnung auf einen eigenen Staat», den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland, Siedlergewalt und harte Militäreinsätze. US-Präsident Donald Trump hat zwar einen neuen Anlauf zur Lösung des Konflikts in Aussicht gestellt, bisher gab es dabei jedoch kaum Bewegung. (dpa)