Syrische Anwälte retten Kataster für die Zukunft

Ghaswan Koronfol stößt einen Seufzer der Erleichterung aus, als er die externe Festplatte in den Händen hält. Darauf sind tausende Eigentumstitel aus Gebieten in Syrien, die kürzlich von der Regierung zurückerobert wurden. "Diese Dokumente stehen für die Hoffnung auf Rückkehr", sagt der 65-jährige Anwalt, der aus der Türkei das Netzwerk Freie Syrische Anwälte leitet. Mit anderen Aktivisten setzt er sich dafür ein, die Kataster aus dem Bürgerkriegsland zu retten und in einer Datenbank für die Zukunft zu sichern.

Seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 mussten elf Millionen Syrer ihre Häuser verlassen und im Ausland oder anderen Landesteilen Zuflucht suchen. Da viele ihre Eigentumstitel nicht dabei haben, droht ihnen nun die Enteignung. Denn ein neues Gesetz, bekannt als Dekret Nummer 10, erlaubt es den Behörden, Eigentümer in bestimmten Entwicklungszonen zu enteignen. Wenn sie nicht rechtzeitig ihre Ansprüche nachweisen, erhalten sie keine Entschädigung.

"Unsere Arbeit zielt darauf, die Eigentumstitel vor der Gewalt und den Versuchen des Regimes zu beschützen, mit diesen neuen Gesetzen sich am Besitz der Leute zu vergreifen", sagt Koronfol. Seit bald fünf Jahren sammelt seine Gruppe offizielle Urkunden in den Rebellengebieten. Laut Koronfol hat sie bisher 1,7 Millionen Dokumente wie Justizakten, Testamente und Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden in digitaler Form zusammengetragen.

Der Anstoß war ein Brand in einem Regierungsbüro 2013 in Homs, bei dem zahllose Dokumente verbrannten. Die Opposition warf damals der Regierung vor, Oppositionelle um ihr Eigentum bringen zu wollen. Da es eine Straftat ist, offizielle Dokumente zu verlegen, haben sich die Aktivisten dazu entschieden, sie zu fotografieren. Ihre Arbeit besteht nun darin, möglichst viele Urkunden abzufotografieren, auf Festplatten zu laden und außer Landes zu bringen.

Nach einer Schulung durch die Nichtregierungsorganisation The Day After machten sich die 15 Anwälte der Gruppe daran, in drei nordsyrischen Städten unter Kontrolle der Rebellen, die Dokumente abzufotografieren. Ihr Arbeitsmaterial: Vier Digitalkameras, zwei Laptops, Stative und Blitze. Bisher haben sie 450.000 Eigentumstitel, Verträge und andere Dokumente gesammelt, die den Flüchtlingen einmal als Nachweis dienen können.

"Sobald wir eine Akte von 200 Seiten durch haben, laden wir die Fotos auf einen Rechner. Doch die Kamera steht nicht still, sondern wir machen mit einer anderen Speicherkarte weiter", sagt ein 43-jähriger Anwalt, der seinen Namen als Samer angibt. "Wenn wir bei der letzten Seite ankommen, sind wir so froh, fertig zu sein." Zur Sicherheit werden die Dokumente auf zwei Festplatten gespeichert, eine in der Türkei, die andere in Europa.

Gemäß einem Gesetz von 2017 können im Konflikt zerstörte Urkunden auf der Basis digitaler Kopien neu ausgedruckt werden. "Wir erwarten, dass viele Leute von uns Kopien anfordern werden", sagt Amr Schannan von The Day After. Zwar ist offen, ob die Behörden die Kopien der Anwälte anerkennen werden. Doch für Schannan ist es ein wichtiger Schritt, damit die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr Haus und Land wiederfinden können. (AFP)