Syrien-Gespräche in Astana: Zwischen Bomben und Vermittlung

Gegenseitige Beschimpfungen und viele verschiedene Interessen: Bei den Syrien-Gesprächen in Astana werden viele verschiedene Süppchen gekocht. Vor allem Russland will seine Position stärken. Wie weit bringen die Verhandlungen den Friedensprozess voran? Von Simon Kremer und Thomas Körbel

Die Angestellten des Medienzentrums kommen mit dem Stühlerücken kaum hinterher. Mehr als zwei Stunden ziehen sich die Erklärungen und Pressekonferenzen zum Abschluss der Syriengespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana hin. Für jede Partei bauen die Helfer das Podium um, stellen neue Stühle hin, räumen nicht gebrauchte weg. «Peace4Syria» (Frieden für Syrien) prangt auf einer riesigen blauen Wand dahinter. Zusammen treten die Konfliktparteien nicht auf.

Der Abschluss der zweitägigen Gespräche spiegelt das Bild der Verhandlungen wider. Direkte Gespräche gibt es nicht zwischen der bewaffneten syrischen Opposition und der Führung in Damaskus. Auf mehreren Ebenen haben sich die einzelnen Gruppen in einem Luxushotel im Zentrum Astanas verteilt. Ständig wechseln die Delegationen von Suite zu Suite, während draußen der eiskalte Wind harten Schneegriesel über die Straßen weht wie dünne Rauchschwaden. Frostig ist auch die Stimmung zwischen den Delegationen.

Opposition und Regierung beschimpfen sich gegenseitig: Die Führung in Damaskus sei eine «herrschende Bande» - die Oppositionsdelegation durchsetzt von «Terroristen». Auch mit den iranischen Vertretern spricht die Opposition kein Wort. Am Ende steht eine Abschlusserklärung, die nur die drei Vermittler Russland, Türkei und der Iran unterschreiben und in der diese beteuern, den brüchigen Waffenstillstand zu überwachen.

Die bewaffnete Opposition und die Führung in Damaskus seien keinen Zentimeter von ihren Positionen abgewichen, heißt es aus westlichen Diplomatenkreisen. Dabei ging es in Astana «nur» um die Waffenruhe. Alle politischen Fragen wurden ohnehin ausgeklammert.

Angesichts dieser Stimmung werten westliche Diplomaten aber schon allein die Erklärung der drei sogenannten Garantiemächte als positives Signal. Es zeige deutlich, dass Russland eine politische Lösung für den Krieg wolle - auch, um den Militäreinsatz in Syrien irgendwann beenden zu können. Dabei sind die Interessen der drei Staaten sehr verschieden. Während Moskau und Teheran den syrischen Machthaber Baschar al-Assad stützen, um ihren jeweiligen Einfluss auszubauen, stärkt Ankara syrischen Oppositionellen den Rücken.

Vor wenigen Monaten sei eine solche Zusammenarbeit wegen der Spannungen zwischen Russland und der Türkei nach einem Kampfjetabschuss 2015 nicht möglich gewesen, meint der Moskauer Politologe Fjodor Lukjanow. Zwar hätten sie sich wieder versöhnt, aber es dürfe keine Illusionen geben, dass Moskau und Ankara dieselben Interessen hätten, sagt er. Sie hätten verstanden, welche Folgen ihr Konflikt haben könnte. «Die jetzige Zusammenarbeit ist ein Resultat schmerzhafter Erfahrungen», kommentiert Lukjanow.

Russland definiert - nach all der internationalen Kritik wegen der Bombardierungen von Aleppo - seine Rolle neu. Moskau bombt nicht nur, Moskau vermittelt auch aktiver: Mit dem neuen Format der Gespräche versucht Russland, seine militärischen Erfolge in dem Bürgerkriegsland mit einer diplomatischen Initiative zu untermauern.

«Russland hat seine Rolle als Friedensstifter bekräftigt», meint Leonid Sluzki, Chef des außenpolitischen Ausschusses in der Staatsduma. Auf immer neue Vorwürfe, dass bei Moskaus Militäreinsatz auch moderate Rebellen umkommen, geht er nicht ein.

Als Teil der Überwachung der Waffenruhe soll in Astana ein neues Zentrum mit Experten eingerichtet werden. Dieses habe aber keinen Einfluss darauf, ob die Waffenruhe eingehalten werde, erklärt der Nahost-Experte Boris Dolgow von der Akademie der Wissenschaften in Moskau. «Hier werden lediglich objektive Daten gesammelt und an die Behörden ihrer Länder weitergeleitet.»

Beobachter halten es nicht für ausgeschlossen, dass dies auch eine Reaktion auf die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte ist. Diese berichtet von Großbritannien aus über die Lage in Syrien und dient westlichen Medien häufig als Quelle.

Jetzt richtet sich die Aufmerksamkeit zunächst auf die für den 8. Februar in Genf geplanten Verhandlungen unter UN-Führung. Sollten diese keine Bewegung bringen, dürfte das den Kreml in seinem Ansatz bestärken, auf eigene Initiativen wie in Astana zu setzen. Für die kommenden Tage hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow Vertreter der syrischen Opposition nach Moskau geladen. Moskau dreht also weiter an den Stellschrauben. (dpa)