Studie: Islam in Deutschland besser integriert als angenommen

Bei der Anerkennung des Islams in Deutschland gibt es Fortschritte. Nach einem Gutachten der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung bestehen in vielen Bundesländern rechtliche Regelungen und Planungen, dem Islam in Alltag und Bildungswesen einen Platz zu geben. Muslimische Verbände seien allerdings noch lange nicht mit christlichen Kirchen oder jüdischen Gemeinden gleichgestellt, sagte die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus am Dienstag in Berlin. Die Studie wurde von Spielhaus in Zusammenarbeit mit dem Juristen Martin Herzog am Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa erstellt.

In fast allen westlichen Bundesländern gibt es demnach Regelungen für eine schrittweise Anerkennung des Islams. Mit der Einrichtung von Kommunikationsgremien, islamischem Religionsunterricht, vereinzelten Bestattungsverordnungen und universitären Angeboten seien bereits einige Maßnahmen zur rechtlichen Integration des Islams in die Bundesrepublik angelaufen, sagte Spielhaus.

Bei der Verankerung des Islams im deutschen Rechtssystem entstünden immer neue Fragestellungen, erläuterte Herzog. Um in Deutschland als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, sei etwa auf Dauer eine Mindestanzahl an Mitgliedern erforderlich. Bei Muslimen gebe es allerdings keinen Beitrittsritus wie die christliche Taufe, sagte Herzog. Deshalb sei die Anzahl der offiziellen Mitglieder eines Verbandes deutlich geringer als die tatsächliche Zahl der Gläubigen.

Die Verfasser der Studie verwiesen darauf, dass die Anerkennung muslimischer Gemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts stagniere. Kaum eine islamische Gemeinschaft habe den Status bisher erhalten. Eine Ausnahme bildet hier die Ahmadiyya-Gemeinde. Auf der anderen Seite gibt es erste Staatsverträge mit Islam-Verbänden in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Diese Verträge seien geschlossen worden, um öffentliches muslimisches Leben zu ermöglichen, hieß es. Übergangslösungen dürften allerdings nicht zu dauerhaften Ersatzlösungen werden.

Die Autoren des Gutachtens sprachen sich dafür aus, den Muslimen in Deutschland die Ausübung ihres Glaubens weiter zu erleichtern. Insbesondere verwies Herzog auf Bestattungen ohne Sarg nach islamischem Ritus und die Möglichkeit, an hohen Feiertagen von Arbeit und Schule freigestellt zu werden. Hier könnte der Staat islamfreundlichere Regelungen schaffen, sagte er.

Eine Gleichstellung des Islams könne nicht geschehen, ohne sich mit islamfeindlichen Tendenzen auseinanderzusetzen, heißt es in der Studie. Die Gutachter schlagen deshalb vor, islamfeindliche Delikte künftig zu den politisch motivierten Straftaten zu zählen und Beratungseinrichtungen für Opfer von religionsbezogene Diskriminierung zu fördern.

Neben Bund und Ländern müssten aber auch islamische Gemeinschaften selbst für ihre vollständige Aufnahme ins deutsche Religionssystem arbeiten, heißt es in dem Gutachten. Muslimische Organisationen müssten sich weiter professionalisieren und institutionalisieren. Die etwa vier Millionen Muslime sind bisher in etwa 2.600 Vereinen organisiert. Die Wissenschaftler raten ihnen zu Bündnissen untereinander sowie mit anderen Religionsgemeinschaften um eine inklusive Religionspolitik zu fördern. (epd)

"Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland" – ein Gutachten von Riem Spielhaus und Martin Herzog