Streit um muslimische Glaubenswächterinnen auf dem Tempelberg

Umm Hassan geht seit Jahren nahezu täglich auf den Jerusalemer Tempelberg, um das "Edle Heiligtum" des Islam, das die Al-Aksa-Moschee und den Felsendom beherbergt, vor der "Entweihung" durch betende Juden zu beschützen. Doch jetzt ist die Sechzigjährige wie weitere Freiwilligen, die dort als "Glaubenswächter" dienen, selbst vom Betreten des Hochplateaus in der Jerusalemer Altstadt verbannt.

Die ganz in Schwarz gekleidete und mit einem Kopftuch verhüllte Frau gehört zu den Murabitat, den "Verteidigerinnen des Glaubens", die jüdische Besucher auf dem Al-Aksa-Gelände genau überwachen. Denn sonntags bis donnerstags ist eines der elf Tore zu der Hochebene am Vormittag für Touristen geöffnet, unter denen auch viele Juden sind. Gebete und religiöse Handlungen sind dort aber nur Muslimen erlaubt.

Obwohl Juden auf Geheiß des Großrabbinats den Hügel nicht betreten sollten, um den einstigen Standort des Zweiten Tempels nicht mit Fußtritten zu entweihen, wollen rechtsradikale Israelis dort ihre Gebete verrichten. Dagegen gehen die Murabitat und ihre männlichen Mitstreiter, die Murabitun, mit lauten Protesten, Gebeten und Handgemengen vor.

Weil er die Glaubenswächter und -Wächterinnen als Mitverursacher der permanenten Konflikte auf dem Tempelberg sieht, hat Verteidigungsminister Mosche Jaalon diese vergangene Woche als "staatsgefährdend" verboten. Teilnehmer, Organisatoren und Geldgeber der "Glaubenswächter" riskieren jetzt Strafverfahren. Umm Hassan will trotzdem weitermachen: Sie kämpfe "ohne Waffen, aber mit Gott und dem Koran", bekräftigt sie.

Eine Gruppe von Juden verlässt über eine Treppe das Plateau und führt freudige Tanzschritte auf. Ein Dutzend Murabitat erwartet sie am Ausgang; die Frauen schwenken den Koran und skandieren "Allah ist groß". Dazwischen stehen Polizisten, manche in Kampfuniform, und schieben Menschen nach beiden Seiten, um die Gruppen zu trennen. Dafür ernten sie aus beiden Richtungen Beschimpfungen.

Die Juden, viele barfüßig, haben auf dem Hügel eine Route zurückgelegt, die ihnen von radikalen Rabbinern exakt vorgezeichnet wurde. Diese geben vor, so könne vermieden werden, versehentlich auf "Das Heiligste im Heiligen" zu treten.

Die Palästinenser und die jordanische Wakf-Stiftung, welche die muslimischen Stätten in Ost-Jerusalem verwaltet, befürchten, dass Israel eine zeitliche oder geografische Teilung der Nutzung des Al-Aksa-Geländes anstrebt. Während nationalreligiöse Eiferer und auch zwei aktuelle Minister öffentlich für eine Änderung des Status Quo auf dem Tempelberg eintreten und manche sogar den jüdischen Dritten Tempel anstelle des muslimischen Felsendoms errichten wollen, wird dies von Regierungschef Benjamin Netanjahu bestritten. So bekräftigte er am Mittwoch, es gehe nur darum, das ungestörte Besuchsrecht auch für Juden zu sichern.

In den Augen der Murabitat geht die Ruhestörung von der anderen Seite aus. Ihr Verbot ziele "nur darauf, letztlich alle Muslime während der touristischen Öffnungszeiten von der Al-Aksa-Moschee fernzuhalten. Denn jede Muslimin, die dort hin geht und betet, ist dadurch automatisch eine Glaubenswächterin", erklärt Chadije Kweiss, eine Aktivistin, der per Gerichtsentscheid für zwei Monate der Zutritt zum Tempelberg untersagt wurde.

Polizeisprecherin Luba Samri erläutert dagegen, die Murabitat handelten nicht individuell, sondern im Auftrag des radikalen Flügels der Partei "Islamische Bewegung", der vor allem im Norden Israels viele Anhänger hat. Deren Kopf, Scheich Raed Salach, geriet schon häufig wegen Hasspredigten mit der israelischen Justiz in Konflikt. Seine Organisation "finanziert diese Wächterinnen unter einem religiösen Deckmantel, um in Wirklichkeit politische Ziele zu erreichen", sagt Samri. Von der Islamischen Bewegung und von den Murabitat wird diese Darstellung entschieden bestritten. (AFP)