Streit um Friedenspreis für Adonis: Osnabrück weist Kritik syrischer Oppositioneller zurück

Nach dem Jury-Vorsitzenden hat auch die Stadt Osnabrück die Kritik an der Verleihung des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises an den syrisch-libanesischen Dichter Adonis zurückgewiesen. In einer schriftlichen Stellungnahme führt Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) Worte des Dichters selbst als Beweis dafür an, dass er sich durchaus kritisch mit dem Assad-Regime auseinandersetze. Der syrische Journalist Ahmad Hissou von der Deutschen Welle und der Schriftsteller Navid Kermani hatten sich entsetzt über die Preisverleihung gezeigt.

Adonis habe sich nicht deutlich genug von den Gräueltaten der syrischen Regierung distanziert, sagte Kermani. Hissou hatte gegenüber dem «Kölner Stadt-Anzeiger» betont, die Preisverleihung spreche «dem Friedensgedanken Hohn und beleidigt alle Syrer, die Opfer des Assad-Regimes geworden sind». Adonis habe keinerlei Sinn für die politische und humanitäre Tragödie in seinem Land gezeigt. Er habe «nichts für den Frieden getan».

Der Menschenrechtler Rupert Neudeck verlangte im «Kölner Stadt-Anzeiger» (Freitagsausgabe) sogar die Rücknahme der Jury-Entscheidung: «Diese Vergabe ist verkehrt und muss rückgängig gemacht werden.» Auch Neudeck warf Adonis vor, sich nicht deutlich genug gegen das Assad-Regime zu stellen: «Bequem in einem Pariser Café sitzen und den Assad-Gegnern raten, es doch mal gewaltfrei zu probieren, das zeugt von einer skandalösen Haltung», sagte Neudeck. «Als Träger eines politischen Preises in der Tradition des leidenschaftlichen Pazifisten Remarque ist Adonis deshalb für mich völlig unvorstellbar.»

Oberbürgermeister Griesert betonte demgegenüber, mit der Preisverleihung wolle die Stadt vor allem Adonis' Eintreten für eine Trennung von Religion und Staat sowie die Gleichberechtigung der Frauen in der arabischen Welt würdigen. Die Jury zeichne damit sein Engagement für eine aufgeklärte arabische Gesellschaft aus. «Sein Werk erfüllt in vielfacher Hinsicht die Intention des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises.» Dabei sei durchaus beabsichtigt gewesen, intensiv über die Probleme in Syrien ins Gespräch zu kommen. Es müsse darum gehen, über Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren und die Frage nach der Verantwortlichkeit anderer Staaten zu stellen.

Der 85-jährige Adonis spricht in dem von der Stadt zitierten Interview mit dem Online-Portal «qantara.de» aus dem Jahr 2011 von seiner «widerstrebenden oppositionellen Haltung zu dem bestehenden Regime in Syrien». Er befinde sich in einem ständigen Kampf mit der Diktatur des Regimes. Er missbillige Gewalt vonseiten des Regimes wie auch vonseiten der Opposition, sagte der Dichter. Qantara ist ein Projekt unter anderem der Deutschen Welle und des Goethe-Instituts, das in verschiedenen Sprachen den intellektuellen Dialog mit der Kultur des Islam fördern soll. (epd)

Interview mit dem syrischen Dichter Adonis bei Qantara.de