Sauberer Humor für die arabische Welt

Stand-up Comedy ist für ihren herben, oft politischen Humor bekannt. Eine Amerikanerin und ein Emirati wollen der Kunst des schnellen Bühnen-Witzes dennoch zum Durchbruch in den konservativen Golfstaaten verhelfen. Mit ihrer Comedy-Schule in Dubai werben sie für einen unanstößigen Humor. Eine Reportage von Christoph Dreyer

Von Christoph Dreyer

"Waaaah!" – "Buuuh!" – "Haaah!" – "Uuuuh!" Mit ausladender Geste brüllt Mina Liccione ihren Nebenmann an. Der dreht sich um und schreit seinem anderen Nachbarn ins Gesicht. So geht es weiter, bis die Runde komplett ist. Der Arbeitsauftrag: Jeder soll den anderen erschrecken. "Schneller, schneller, schneller", feuert Liccione die Kursteilnehmer an. Gelächter, Applaus.

Samstagnachmittag in einem fensterlosen Raum mit Spiegelwänden im Dubai Community Theatre and Arts Centre, Dubais städtischem Kulturzentrum. Liccione, eine hochgewachsene Amerikanerin mit Lockenmähne, leitet die Aufwärmübungen in einem ihrer Kurse.

Die Gruppe ist so bunt zusammengewürfelt wie die Bevölkerung des Golf-Emirats: ein Inder mit intellektuell wirkender rundlicher Brille, eine Britin im Top, ein breitschultriger Amerikaner, zwei Araberinnen mit Kopftuch – insgesamt sieben Frauen und acht Männer, die bereitwillig den Anweisungen für Improvisations-, Pantomime- und Schlagfertigkeitsübungen folgen.

Liccione ist mit Tanz- und Zirkusprogrammen wie "Stomp" in den USA und international aufgetreten. Als sie 2007 mit ein paar Slapstick-Nummern in Dubai gastierte, warf sie erst einmal ihr mitgebrachtes Programm über den Haufen.

"Dubomedy" - Dubais Comedy-Schule

Comedian Ali Al Sayed; Foto: Christoph Dreyer
Auf Distanz zu politischen Inhalten: Der emiratische Comedian Ali Al Sayed in einem Kurs an der Comedy-Schule "Dubomedy", die er zusammen mit Mina Liccione leitet.

​​Die Nummern hätten zwar in den USA funktioniert, aber nicht in Dubai, erinnert sich Liccione. "Also habe ich bei jedem Auftritt eine neue Nummer hinzugefügt, von der ich glaubte, dass sie zum Publikum passt. Am Ende der zwei Wochen hatte ich ein großartiges, speziell auf Dubai eingestelltes Programm zusammengestellt."

Im Anschluss an mehrere erfolgreiche Aufführungen fragten die Verantwortlichen des Kulturzentrums, ob Liccione nicht in Dubai eine Comedy-Schule aufbauen wolle. Im Frühjahr 2008 begann sie mit der Arbeit und gründete Dubomedy.

Heute unterrichtet sie zusammen mit ihrem Kollegen Ali Al Sayed in der nach eigenen Angaben einzigen Comedy-Schule des Nahen und Mittleren Ostens 150 Menschen pro Semester in Stepptanz, Improvisationstheater, Schreiben für Bühne und Film – und eben in Stand-up Comedy, der ur-amerikanischen Kunst, sich als Solo-Entertainer auf der Bühne durch eine dichte Abfolge von Anekdoten, Witzen und Einzeilern zu parlieren.

Thematische Tabus als kreativer Katalysator

"Wir brauchten ein Jahr, um einen Auftrittsort für regelmäßige Comedy-Abende zu finden", erzählt Al Sayed, der als Bühnenkünstler, Moderator, Schauspieler, Produzent und Regisseur arbeitet, von den mühsamen Anfängen.

Auch habe das zunächst überwiegend angelsächsisch geprägte Publikum Vorbehalte gehabt, ob in einem konservativen muslimischen Land überhaupt Stand-up Comedy funktionieren könne, wie man sie aus den USA von Stars wie Jon Stewart und Jerry Seinfeld oder aus den Late-Night-Shows kennt. "Wir mussten der Stand-up-Comedy quasi ein neues Image verpassen – dass sie familientauglich und anständig sein kann und trotzdem sehr, sehr lustig", sagt Liccione.

Auch im Kurs lässt sie daran keinen Zweifel: Fluchen, Sex und Politik seien auf der Bühne tabu, doziert Liccione zwischen zwei Übungen. "Ihr seid in Dubai, und über gewisse Dinge wird hier nicht gesprochen. Der Humor ist hier sauber.

​​Nun denken sich viele Leute: Stand-up-Comedy und ich kann nicht fluchen?! Ich kann nicht über Sex sprechen?! Was soll denn sonst lustig sein? Nein", sagt sie eindringlich. "Das sind bloß billige Späßchen! Wenn Ihr darauf verzichtet, müsst Ihr viel kreativer sein, und das Ergebnis wird um so gehaltvoller werden."

Probleme mit dem Zensor hatte die Dubomedy-Truppe noch nie, aber sie legt es auch nicht darauf an. Letztlich gehe es ohnehin um die Wertvorstellungen des Publikums. "Wenn die Menschen unsere Art von Comedy nicht mögen, führt das zu nichts; warum sollten wir es dann machen", sagt Al Sayed. "Natürlich teste ich manchmal die Grenzen aus und sage etwas Doppeldeutiges. Aber als Comedian muss man gewitzt sein und wissen, wie man es anstellt."

Arab Stand-up-Comedy – eine Branche mit Zukunft?

Comedy-Elemente gebe es im arabischen Film und Theater schon lange, sagt der gebürtige Emirati. Die hergebrachten, bis zu dreistündigen Bühnen- oder Filmkomödien erschöpften sich aber oft darin, die noch in Schwarz-Weiß gedrehten Klassiker des Genres nachzuahmen. "Wir wollen den Arabern ein anderes Format an die Hand geben, mit dem sie etwas Neues schaffen können."

Noch finden die Auftritte durchweg auf Englisch statt, doch mit einigen Schülern arbeitet Al Sayed inzwischen im Einzelunterricht auch an arabischsprachigen Programmen. "Stand-up-Comedy auf Arabisch ist definitiv der nächste große Knüller", sagt Liccione. Allerdings könne man nicht einfach englische Witze oder Sketche nehmen und übersetzen.

"Ali zum Beispiel kann sein englisches Material auf Arabisch nicht einsetzen; es passt einfach nicht zusammen." Mit gutem Grund werde in den Kursen deshalb erst einmal auf Englisch gelehrt, um die Grundlagen zu schaffen. "Es ist nun mal zunächst eine amerikanische Kunstform, deshalb muss man sich in ihrer ursprünglichen Form damit beschäftigen."

Botschaften ans eigene Lager

Auch das arabische Publikum kommt allmählich auf den Geschmack, glaubt Al Sayed und erzählt von einem Auftritt vor ein paar Monaten. "Ich habe einen Witz, bei dem ich frage, ob Einheimische im Publikum sind. Normalerweise antwortet darauf niemand. Aber bei diesem Auftritt schrie plötzlich ein Großteil des Publikums", sagt er. "Ich glaube, wir sind dabei, auch die Einheimischen zu erreichen. Und genau das wollten wir ja von Anfang an."

Denn auch wenn sich die Dubomedy-Truppe von politischen Themen fernhält, etwas verändern will Al Sayed doch. Sein großes Vorbild, verrät er, sei der afro-amerikanische Komiker Chris Rock, der es mit deutlichen bis vulgären Sprüchen über Rassenthemen zu einiger Berühmtheit und mehrfach zum Preisträger bei den Emmy-Awards gebracht hat. Die Flüche seien jedoch nur die Oberfläche; entscheidend sei, was Rock zwischen den Zeilen sage.

"Er spricht über die Gesellschaft und über die Leute – über seine Leute, die Afro-Amerikaner. Diese Art von Comedian möchte ich sein", sagt Al Sayed. "Ich weiß nicht, ob das Publikum schon so weit ist, solche Themen auf der Bühne zu verhandeln. Im Moment will es wohl nur lachen. Aber letztlich will ich auf die Bühne gehen und etwas verändern – etwas sagen, das wirklich etwas bedeutet."

Christoph Dreyer

© Qantara.de 2011

Redaktion: Arian Fariborz & Lewis Gropp/Qantara.de