Serien, Süßigkeiten, Bürgerkrieg: Die vielen Gesichter des Ramadan

In Tunis, Kairo und Dubai schaut man Serien und verspeist üppige Festessen. In Syrien oder im Jemen träumen hungernde Kinder dagegen von dem Fastenmonat, wie er vor dem Krieg einmal war. Der Ramadan hat in Zeiten des Bürgerkriegs viele Gesichter. Von Benno Schwinghammer

Ein Monat der Entbehrungen tagsüber und der Familienfeiern mit üppigen Festessen nach Sonnenuntergang: Der Fastenmonat Ramadan beginnt an diesem Montag (6. Juni 2016) für Hunderte Millionen Muslime weltweit. Die heilige Zeit ist für die Gläubigen nicht nur religiöser Fixpunkt, sondern auch das gesellschaftliche Ereignis des Jahres.

Wie im Christentum an Weihnachten kommen bei den Muslimen zum Ramadan die Familien zusammen. Sie feiern am Abend das Fastenbrechen. Tagsüber sind nicht nur Essen und Trinken, sondern auch das Rauchen oder Sex verboten. Die teuersten Film- und Serienproduktionen des Jahres laufen in der Zeit, die dieses Jahr bis Anfang Juli dauert.

Für viele Arbeitnehmer gelten bis dahin verkürzte Bürozeiten. Doch nicht alle Menschen in der von Krisen geschüttelten arabisch-muslimischen Welt können den Iftar - das Fastenbrechen am Abend - genießen. Im Bürgerkriegsland Syrien träumen hungernde Kinder vom Ramadan, wie er vor dem Krieg einmal war. Auch im Irak, in Libyen und im Jemen wird gekämpft. Kinder aus der arabischen Welt erzählen:

TUNESIEN: «Am meisten freue ich mich auf die Fernsehserien», sagt Safa aus Tunis. Die Sechsjährige schaut sie zusammen mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester. Außerdem liebt die Erstklässlerin es, wenn ihre Mutter für den Iftar kocht. Vor allem «Salat Blankit», eine Art tunesische Bruschetta mit Thunfisch und Oliven drauf. Während des Ramadan ist es in Tunesien Tradition, neue Kleider geschenkt zu bekommen. Letztes Jahr sei es ein blauer Rock gewesen. «Dieses Jahr wünsche ich mir noch einmal einen Rock!»

SYRIEN: Der sechsjährige Ahmed kann seine Heimatstadt Daraja nicht verlassen, die seit 2012 von syrischen Regimetruppen belagert wird. Einen Ramadan, bunt und üppig, wie er traditionell in Syrien gefeiert wird, kennt er nicht: «Unsere Eltern erzählen uns, wie sie früher gegessen und gefeiert haben», sagt er. Wegen der ständigen Kämpfe sei das in Daraja nicht möglich. Es gebe kein Brot, oft gehe er hungrig ins Bett. «Wenn ich groß bin, werde ich richtig fett sein und gutes Essen verzehren», sagt Ahmed.

ÄGYPTEN: Im Ramadan freut sich Joud aus Kairo schon darauf, abends mit ihrer ganzen Familie am Esstisch zu sitzen. Ihre Kuscheltiere hat die Vierjährige in ihrer Vorfreude bereits um einen Spielzeugtisch gruppiert. Jaoud liebt es, das Haus mit den traditionellen bunten Girlanden zu schmücken. Eine spezielle ägyptische Ramadan-Tradition sind Laternen, die in vielen verschiedenen Farben ins Haus gestellt werden.

LIBANON: Bevor Sahar und ihre Familie vor drei Jahren aus Syrien in den Libanon fliehen mussten, feierten sie den Fastenmonat zusammen in ihrem Haus in Homs, erinnert sich die Zehnjährige. Nun lebt die ganze Familie in einem einzigen Zimmer in einem kleinen Haus neben einem Flüchtlingslager der Bekaa-Ebene. «Wir essen alleine und nur wenig, weil mein Vater kein Geld hat, um uns Essen zu kaufen.» Das Fest habe seine Bedeutung verloren, sagt Sahar. «Der Ramadan ist nur noch eine Erinnerung für uns.»

OMAN: Al-Jasan hat ein Problem: Die Hitze im Oman. Er will in diesem Jahr wie ein Erwachsener knapp 14 Stunden täglich fasten - obwohl er erst neun Jahre alt ist. Zwar sind Gebäude und Autos in dem wohlhabenden Golfstaat voll klimatisiert, doch draußen können die Temperaturen an der 50-Grad-Marke kratzen. Er freue sich besonders darauf, nach dem Fastenbrechen mit seinem Vater zum Tarawij-Gebet zu gehen, dort Süßes zu essen und Kaffee zu trinken wie ein Erwachsener. 

JEMEN: Dieses Jahr wird der heilige Monat für Ahmed anders. Der Elfjährige aus der jemenitischen Hauptstadt Sanaa trauert um einige seiner Freunde. Sie seien im vergangenen Jahr bei Luftangriffen in dem Bürgerkriegsland umgekommen. Trotzdem ist er glücklich, dass mit dem Ramadan nun eine Zeit der Nächstenliebe beginnt. «Menschen werden den Obdachlosen und hungernden Kindern in den Straßen helfen», glaubt er. Im bitterarmen Jemen leiden die Menschen unter einem Konflikt zwischen Rebellen und Regierung. Mehr als 21 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe - das sind über 80 Prozent der Bevölkerung.

IRAK: Wenn Mohamed aus Bagdad an den Beginn des Ramadan denkt, ist er vor allem motiviert. Er will es schaffen, mehr Tage zu fasten als im vergangenen Jahr. Dabei ist der Achtjährige aber noch zu jung, um den ganzen Tag ohne Nahrung auszuhalten. Mohamed darf deshalb von Mittag an wieder essen und trinken. «Wir Kinder machen das so, bis wir es wie die Erwachsenen können», sagt er. Mohamed wird seinen Vater abends zum Tarawij-Gebet begleiten. An einigen Orten in Bagdad wird dann traditionelle Musik gespielt, es gibt Süßigkeiten und Spiele. (dpa)

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