Schöner Leben unter der Smogglocke - Auf den Gartendächern Kairos

In Ecuadors Hauptstadt Quito beraten Zehntausende Teilnehmer über die Herausforderungen, wenn bald 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Dass es trotz Smog und Lärm auch lebenswerte Oasen in einer Megacity geben kann, zeigt ein von Deutschland gefördertes Projekt in Kairo. Von Benno Schwinghammer

Er habe wohl die einzige «Grüne Moschee» in ganz Ägypten, sagt Mohamed Taha und schaut über die Beete mit italienischem Basilikum und frisch eingepflanztem Spinat. Hinter dem Hausmeister mit dem Gebetsmal auf der Stirn ragt das gelbliche Minarett in den Kairoer Abendhimmel.

Tahas Dachgarten auf dem Gotteshaus ist hier der einzige grüne Fleck in einem Meer aus Beton, Backsteinen und Plastikmüll, das die 20-Millionen-Megacity prägt. Doch es geht nicht nur ums «Schöner Wohnen» unter der Smogglocke, erklärt Ehab Kamel von der Nichtregierungsorganisation Schaduf, die die Dachgärten und ihre Besitzer betreut. «Die Beete wirken im Sommer wie eine natürliche Isolation gegen die Hitze», erklärt Kamel.

Zudem reinigten die Pflanzen, seien es auch nur einige wenige, etwas die verpestete Luft der übervölkerten ägyptischen Hauptstadt. Nicht zuletzt verkaufe Schaduf die Ernte und sorge so für eine zusätzliche Einnahmequelle in den Armutsvierteln. Es ist ein Beispiel, das auch im fernen Quito Beachtung findet.

Dort treffen sich bis diesen Donnerstag rund 40.000 Teilnehmer zum dritten UN-Weltsiedlungsgipfel. Es geht um eine neue «Urban Agenda», bis 2030 werden statt heute knapp 55 Prozent bis zu 70 Prozent der globalen Bevölkerung in Städten leben. Der CO2-Ausstoß, der Smog, Verkehrs- und Versorgungsprobleme sind nur einige der großen Herausforderungen.

Es gibt keine maßgeschneiderten Lösungen - aber Projekte wie in Kairo zeigen: Auch kleine Schritte helfen. Im Stadtteil Esbet al-Nasser, nahe einer Kreuzung zweier Stadtautobahnen, sind die Straßen sandig und riechen nach den Schafen und Straßenhunden, die sich durch den Abfall wühlen. Die Menschen hier sind argwöhnisch, wenn ein Fremder durch die engen Gassen der illegal errichteten Häuser spaziert. Ein Spion vielleicht? 

«Die Leute haben uns erst nicht geglaubt, als wir ihnen das Stadtgarten-Projekt vorgestellt haben», erklärt Kamel. Was solle das schon bringen, meinten sie, diese ganze Arbeit für ein bisschen Grünzeug? Mohamed Taha jedenfalls, der mit seinem Sohn eben noch Samen in die feuchte Erde gedrückt hat, bringt es eine Menge. Vor allem Spaß, sagt er. «Ich arbeite viel, ja, aber ich liebe es.»

Es war 2014, als die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) begann, das Vorhaben der Stadtgärten in Kairo zu fördern. Es ist eines von vielen Kleinprojekten der Entwicklungshilfe-Organisation, die im Auftrag der Bundesregierung und mit Unterstützung der EU durchgeführt werden, um das Leben unter anderem in Kairo zu verbessern und nachhaltiger zu gestalten.

Die GIZ arbeite vor Ort mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, die eine Expertise auf diesem Arbeitsfeld aufgebaut haben und das Geld gezielt einsetzen sollen, erklärt GIZ-Experte Günther Wehenpohl.

Doch in einem Moloch wie Kairo, in dem die Infrastruktur marode und die Behörden überfordert sind, können solche Projekte nur der Anstoß für einen Prozess sein. «Wir können nicht alle Probleme lösen, wir können aber Lösungswege aufzeigen», erklärt Wehenpohl. Auch die Nachhaltigkeit sei immer ein Thema, wenn die Finanzierung auslaufe.

Laut Wehenpohl laufe ein Großteil der Projekte auch danach weiter. Ein Problem ist mitunter die Kooperation mit den Partnerländern. In Ägypten herrscht eine autoritäre Regierung, die Engagement leicht als Intervention betrachtet. Entwicklungshelfer verschiedener Länder sagen hinter vorgehaltener Hand, ihr Geld sei willkommen, nicht aber ihre Arbeit. Wechselnde Zuständigkeiten und unzureichende Organisation in den Ministerien gefährde so manche Umsetzung.

Die grassierende Korruption am Nil sei dabei allgegenwärtig. Ein Problem, dem die GIZ mit höchstmöglicher Transparenz bei der Vergabe und Verwendung von Geldern entgegenwirken will - wo früher die klassische Entwicklungshilfe auf dem Land stattfand, werden städtische Projekte wie Kairos Gartendächer mit der Landflucht an Bedeutung gewinnen. (dpa)