"Schesch Besch": Israelisch-palästinensische Verständigung am Spielbrett

Wieder einmal stehen sich in Jerusalem Israelis und Palästinenser gegenüber - diesmal aber nicht als erbitterte Gegner im Nahost-Konflikt, sondern zum beiderseitigen Vergnügen. Manchmal frotzelnd, aber in überaus freundschaftlicher Stimmung messen sie sich beim Backgammon-Spiel, einer Leidenschaft, die den ganzen Orient verbindet.

Es ist ein perfekter Abend in nahöstlichem Ambiente: Unter einem Zeltdach am früheren Jerusalemer Kopfbahnhof neben dem Zionsberg stehen neben den Dutzenden Spielbrettern Büffets mit Melonenstücken, Mandelsirup oder Bier, dazu kommen der süßliche Rauch aus Schischas und von der Bühne die Klänge arabischer Livemusik.

Abud ist aus dem benachbarten Bethlehem im besetzten Westjordanland angereist. Er hat diese Atmosphäre viele Jahre missen müssen. "Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als ich hier, in Tel Aviv oder Haifa ganze Abende verbrachte. Ich hatte israelische Freunde, die mich auch in Bethlehem besuchten, wo wir dann Hummus oder Falafel aßen", berichtet der christliche Palästinenser.

Gegen den rund 50-jährigen Händler hat Baruch Meiri die Herausforderung zum Brettspiel angenommen. Der aus dem Irak zugewanderte jüdische Rentner freut sich, dass er die Arabischkenntnisse seiner Kindheit auffrischen kann. Er übersät Abud mit Flüchen, wobei er sich biegt vor Lachen. "Dieses Milieu, die Musik, die Sprache, das Spiel - danach sehne ich mich in Israel oft", gesteht der Mann in den Siebzigern.

Ohne das Backgammon-Turnier wären die beiden nie so zusammengekommen. Es ist für sie eine Art Zeitmaschine zurück in eine unbeschwertere Epoche des alltäglichen Miteinanders. Der eine kannte sie aus seinem Geburtsland Irak und der andere aus der Zeit vor 2003, als noch keine Sperrmauern die Schwesterstädte Bethlehem und Jerusalem trennten, die Anschläge und Zusammenstöße erschweren sollen.

Und nun finden vier Turnierabende ausgerechnet in der zerrissenen Stadt Jerusalem statt: zwei im Westteil, wie hier im 1998 aufgegebenen Bahnhof aus der osmanischen Ära, und zwei im Ostteil der Stadt, der vor 49 Jahren von Israel erobert und später allen UN-Beschlüssen zum Trotz annektiert wurde. Israelis und Palästinenser leben hier zwar Seite an Seite, haben aber kaum persönlich Kontakt untereinander.

Eine Gruppe junger Aktivisten beider Seiten beschloss, eines der ältesten Gesellschaftsspiele der Welt zu nutzen, um diese Lage ansatzweise aufzubrechen. Mit Würfeln und taktischen Winkelzügen sollen beim Backgammon die eigenen Steine vor denen des Mitspielers ihren Weg über das Spielfeld machen.

Die Initiative für die Turnierabende nennt sich "Jerusalem Pasch", weil beim Backgammon das Werfen der gleichen Augenzahl auf den beiden Würfeln doppelte Züge erlauben. Der Erfolg ist groß, gleich am ersten Abend kommen 150 Teilnehmer: Palästinenserinnen mit Kopftuch genauso wie orthodoxe Jüdinnen mit Kinderwagen, Strenggläubige mit schwarzer Kippa sind locker beisammen mit Jugendlichen aus den arabischen Vierteln. Auf besonderen Polizeischutz wird bewusst verzichtet.

"Für die meisten hier ist es das maximale an Interaktion, was sie zur anderen ethnischen Gruppe haben können", erklärt einer der Veranstalter, der Jude Saki Dschamal. "Dabei erreichen wir viele ältere Teilnehmer, nämlich diejenigen, welche die sogenannten guten alten Zeiten einer multikulturellen Stadt noch gekannt haben", sagt Machmus al-Rafai, einer der palästinensischen Organisatoren.

Bezeichnend ist, dass Backgammon auf Arabisch und Hebräisch gleichermaßen als "Schesch Besch" bekannt ist. Das ist eine Mischung aus Türkisch und Persisch für "Sechs Fünf". In den Cafés von Ramallah bis Tel Aviv ist es das Standardbrettspiel vor allem unter Männern.

Deshalb sei dies ein so populärer Ansatz, "die unterschiedlichsten Leute zusammenzubringen", sagt Organisator Dschamal. "Und nicht nur die üblichen Friedensaktivisten, sondern auch Leute, die partout nicht über Politik reden wollen." (AFP)

Lesen Sie hierzu auch unserer Qantara-Dossier "Israelisch-palästinensischer Dialog"