Scharfe Kritik an Remarque-Friedenspreis für den syrischen Lyriker Adonis

Die Vergabe des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises an den syrisch-libanesischen Dichter Ali Ahmad Said (Adonis) ist bei syrischen Oppositionellen auf Entsetzen und schroffe Ablehnung gestoßen.

„Diese Entscheidung spricht dem Friedensgedanken Hohn und beleidigt alle Syrer, die Opfer des Assad-Regimes geworden sind“, sagte der Journalist Ahmad Hissou von der Deutschen Welle dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Kritik äußerte auch der deutsch-iranische Autor Navid Kermani. Der Jury-Vorsitzende für den Friedenspreis, Universitätspräsident Wolfgang Lücke, wies die Vorwürfe auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) scharf zurück.

Adonis soll den mit 25000 Euro dotierten Preis am 20. November überreicht bekommen. Die Jury will den 85-Jährigen nach eigenen Angaben damit für sein Eintreten für die Trennung von Religion und Staat, die Gleichberechtigung der Frauen in der arabischen Welt sowie für eine aufgeklärte arabische Gesellschaft ehren. Der Jury gehört unter anderen Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU), Heribert Prantl, Rita Süßmuth, Johano Strasser, Hubert Winkels und als Vorsitzender Universitätspräsident Wolfgang Lücke an.

Hissou zeigte sich „fassungslos“ darüber, dass der Preis einem Literaten zuerkannt werde, der keinerlei Sinn für die politische und humanitäre Tragödie in seinem Land gezeigt habe. Er habe „nichts für den Frieden getan“ und den syrischen Machthaber Baschar al-Assad als den legitimen und gewählten Präsidenten seines Volkes bezeichnet. „Und ausgerechnet solche Leute bekommen in Deutschland Preise.“ Das sei nach der – seinerzeit ebenfalls umstrittenen – Verleihung des Goethe-Preises an Adonis im Jahr 2011 erneut „ein schwarzer Tag für das syrische Volk“. Auch der Übersetzer von Adonis’ Werken ins Deutsche, Stefan Weidner, kritisierte die Preisverleihung. „Für einen Literaturpreis taugt Adonis immer. Für einen Friedenspreis scheint mir seine Haltung zu konfrontativ und einseitig, wenig hilfreich“, sagte Weidner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Jury-Vorsitzender Lücke betonte: „Ein schwarzer Tag für das syrische Volk ist etwas ganz anderes. Damit kann man die Tatsache umschreiben, dass die großen Mächte dieser Welt jahrelang ihre Spielchen in diesem Land getrieben haben.“ Der Jury sei klar gewesen, dass die Verleihung eine kontroverse Diskussion entfachen würde. Und genau das sei beabsichtigt gewesen, sagte der Agrarwissenschaftler. „Wir wollen den Fokus auf die Situation in Syrien lenken und eine Debatte darüber entfachen, wie es zu den kriegerischen Auseinandersetzungen kommen konnte.“

Noch vor 30 Jahren hätten Muslime, Christen und Juden dort in Frieden gelebt. Weltmächte wie die USA, Russland und auch Europa trügen eine Mitschuld an der jetzigen desolaten Situation und der Konfrontation der Religionen. Auf diese Zusammenhänge und die Einflüsse von außen weise Adonis immer wieder hin.

Der diesjährige Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Navid Kermani, sagte dem Stadtanzeiger, er habe es abgelehnt, am 20. November in Osnabrück die Laudatio auf Adonis zu halten. Zwar schätze er dessen lyrisches Werk. Adonis habe sich aber nicht vom brutalen Vorgehen des Regimes in Damaskus gegen das eigene Volk distanziert. (epd)

Interview mit dem syrischen Dichter Adonis bei Qantara.de