Salman Rushdie: Westen gegenüber Saudi-Arabien naiv

Der Schriftsteller Salman Rushdie wirft den Industriestaaten Naivität im Umgang mit Saudi-Arabien vor. «Zu den größten Fehlern des Westens zählt der Irrglaube, dass das saudische Regime uns wohlgesinnt ist», sagte Rushdie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem 30 Tageszeitungen angehören. Saudi-Arabien sei maßgeblich verantwortlich für die weltweite Verbreitung radikal-islamischen Gedankenguts in Form des Wahabismus. «Das war eine winzig kleine Strömung innerhalb des sunnitischen Islam, bis die Saudis dazu übergingen, mit ihren Öl-Dollars den Wahabismus weltweit zu propagieren», so Rushdie.

Ähnlich wie das sunnitisch geprägte Saudi-Arabien verbreite auch der schiitische Iran sehr extreme Vorstellungen des Islam in einem weltweiten Netz von Koranschulen, hob Rushdie hervor: «Wir haben es hier mit einem großangelegten Umerziehungsprojekt zu tun.» Dahinter verberge sich der Kampf der beiden Länder um die Vormacht in der islamischen Welt. Rushdie, der seit 26 Jahren vom iranischen Regime mit dem Tod bedroht wird, fügte hinzu: «Ein Kampf, in dessen Kreuzfeuer wir alle geraten sind.»

Angesichts der Gewalttaten der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) rief Rushdie die Europäer zur Gelassenheit auf. «Die beste Rache ist Frieden. Geben wir das nicht auf! Wir leben im glücklichen Teil der Welt», sagte Rushdie gegenüber der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» (Dienstagsausgabe). Die Menschen in westlichen Staaten müssten sich keine Mitschuld an den Gewalttaten geben.

«Diese Menschen in Paris haben nichts getan», erklärte Rushdie. Es gebe keine absolute Sicherheit, nur verschiedene Ebenen der Unsicherheit. «Deswegen: Leben Sie Ihr Leben! Nehmen Sie die U-Bahn, essen Sie in Restaurants, besuchen Sie Konzerte», forderte der Schriftsteller auf. Er bezeichnete den Terrorismus als «Mutation" des Islam. Dieser sei seiner Meinung nach keine Religion der Liebe und des Friedens, «wenn die Erscheinungsformen des Islam in der Welt das genaue Gegenteil zeigen.»

Rushdie lebt seit dem Erscheinen seines Buches «Die satanischen Verse» im Jahr 1989 unter der Todesdrohung des damaligen geistlichen Oberhaupts des Irans, Ayatollah Khomeini, der in einer Fatwa zur Tötung des Autors aufrief. Der in Indien geborene britische Staatsbürger musste daraufhin jahrelang im Verborgenen leben. (KNA/AFP)