Rolle der Türkei in der Flüchtlingskrise bleibt umstritten

Nach dem Istanbul-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu die Debatte über die Rolle der Türkei in der Flüchtlingskrise weiter angeheizt. Angesichts der Wünsche der EU nach verstärkter Grenzsicherung und Rückübernahme von Flüchtlingen sagte Davutoglu, die Türkei könne nicht zum "Konzentrationslager" werden. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt forderte, Ankara nicht zu viele Zugeständnisse zu machen.

Die Türkei könne im Umgang mit den Flüchtlingen keine Einigung unter dem Motto 'Gebt uns Geld und sie bleiben in der Türkei' akzeptieren, sagte Davutoglu dem TV-Sender A Haber. "Die Türkei ist kein Konzentrationslager." Das habe er auch Merkel gesagt. "Niemand kann von der Türkei erwarten, dass sie sich in ein Konzentrationslager verwandelt, in dem alle Flüchtlinge bleiben." Zugleich räumte Davutoglu ein, dass "die illegale Einwanderung kontrolliert werden" müsse. Dazu würden "gemeinsame Maßnahmen" mit den europäischen Partnern ergriffen.

Die EU setzt bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise ganz wesentlich auf die Türkei. Bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel billigten die EU-Staats- und Regierungschefs einen "gemeinsamen Aktionsplan". Dieser sieht vor, dass Ankara sich dazu verpflichtet, Flüchtlinge - vor allem aus Syrien - auf seinem Territorium festzuhalten, die Richtung Europa weiterziehen wollen. Im Gegenzug soll es Visa-Erleichterungen für türkische Bürger bei der Einreise in die EU geben.

Die Türkei gibt die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien mit 2,2 Millionen an. Bei den Gesprächen Merkels mit Davutoglu und Präsident Recep Tayyip Erdogan ging es um ein Bündel von Maßnahmen, auch um finanzielle Hilfen bei der Betreuung der Flüchtlinge und um eine Verbesserung des Schutzes der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland.

Zu den finanziellen Hilfen sagte Davutoglu, das bisherige Angebot sei "nicht akzeptabel". Seine Regierung erwarte zusätzlich drei Milliarden Euro - und auch dies sei "nicht endgültig". Im Gespräch ist auch eine Verschärfung der Grenzkontrollen. Die türkische Regierung prüft ein Angebot der EU, die Grenzschutzagentur Frontex in die Grenzkontrollen einzubeziehen. Davutoglu stellte auch in Aussicht, den Kampf gegen Schlepper auf dem Gebiet der Türkei zu verstärken.

Mehrere türkische Zeitungen sagten nach dem Besuch Merkels die baldige Abschaffung der Visa-Pflicht für Türken bei Reisen nach Europa voraus. "Visa-freies Europa", titelte die Zeitung "Takvim" am Montag. Bei diesem Thema habe es eine Einigung gegeben. "Die Einigung über den visafreien Reiseverkehr ist unter Dach und Fach", meldete das Blatt "Posta". Merkel hatte lediglich erklärt, ihre Gespräche über den EU-Beitrittsprozess und Visa-Erleichterungen seien "sehr erfolgversprechend". Davutoglu sagte, er hoffe auf eine Umsetzung der Visa-Freiheit Mitte kommenden Jahres.

In der Türkei gebe es erhebliche Defizite etwa bei der Meinungs- und Pressefreiheit, sagte die CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt. "Ein EU-Beitritt steht nicht auf der Tagesordnung." Die Türkei ist seit 1999 EU-Beitrittskandidat, die Verhandlungen laufen seit Oktober 2005. Bisher wurden in den Verhandlungen 14 von 35 sogenannten Beitrittskapiteln eröffnet. (AFP)