Rettungsaktion für das Iran-Abkommen: Treffen der Hilflosen? - Fragen & Antworten

Dem Atomabkommen mit dem Iran droht nach dem einseitigen Ausstieg der USA das Aus. Bei den Rettungsversuchen geht es nun vor allem um die Frage: Wie weit sind die Europäer bereit zu gehen? Von Ansgar Haase und Michael Fischer

Vor einer Woche hat US-Präsident Donald Trump die Welt mit seinem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran geschockt. Jetzt versuchen Europäer und Iraner die historische Vereinbarung zu retten, die den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll. Die äußerst schwierige Mission beginnt an diesem Dienstag mit einem Außenministertreffen in Brüssel. 

Wer trifft sich in Brüssel?

Zuerst berät die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit den Außenministern aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Das sind die drei europäischen Länder, die das Atomabkommen 2015 mit dem Iran, den USA, Russland und China ausgehandelt hatten. Zu diesem Treffen kommt später der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hinzu. Ob es nach den für den Abend geplanten Gesprächen eine gemeinsame Pressekonferenz geben wird, ließen die Organisatoren bis zuletzt offen. Zu ungewiss ist, ob es überhaupt etwas zu verkünden gibt.

Worum geht es?

Der Iran will von den Europäern eine Garantie, dass er weiterhin von dem Abkommen profitieren kann. Dafür hat das Land unmittelbar vor den Brüsseler Gesprächen ein Ultimatum von 60 Tagen gestellt. Es geht Teheran vor allem darum sicherzustellen, dass die EU ausreichend wirtschaftlichen Nutzen bietet, wenn die USA ihre Wirtschaftssanktionen wieder einführen. Nur dann lohnt es sich aus Sicht der iranischen Regierung, weiter am Atomdeal festzuhalten. 

Wo ist das Problem?

Die US-Sanktionen können nicht nur amerikanische, sondern auch ausländische Unternehmen treffen, die mit dem Iran Geschäfte machen. Betroffen sind vor allem diejenigen Unternehmen, die gleichzeitig auch auf dem US-Markt aktiv sind - wie zum Beispiel der europäische Flugzeugbauer Airbus. Wer weiter im Iran tätig bleibt, muss damit rechnen, mit US-Bußgeldern belegt oder sogar ganz vom US-Markt ausgeschlossen zu werden.

Wie könnte die EU verhindern, dass sich europäische Unternehmen aus Angst vor US-Sanktionen ganz aus dem Iran zurückziehen?

Theoretisch möglich wäre es, dass ein Abwehrgesetz reaktiviert wird, das bereits 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen worden war. Über das sogenannte «Blocking Statute» könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die europäischen Unternehmen für möglicherweise entstehende Kosten und Verluste entschädigt werden.

Kann das funktionieren?

So einfach ist das nicht. Da viele große europäische Unternehmen einen beträchtlichen Anteil ihrer Geschäfte in den USA abwickeln, könnten die Kosten eines Abwehrgesetzes schnell in die Milliarden gehen. Dass die USA nicht zimperlich sind, wenn es um ihre Sanktionen geht, haben europäische Banken bereits zu spüren bekommen: Die Commerzbank musste 2015 zum Beispiel auch wegen Verstößen gegen amerikanische Sanktionen bei Geschäften mit dem Iran 1,45 Milliarden Dollar an US-Behörden zahlen. Auch die französische Bank BNP Paribas wurde bereits mit einer Milliarden-Strafe belegt. Solche Unternehmen könnten zwar von der Anwendung des Abwehrgesetzes ausgenommen werden, dann würde der Iran die US-Sanktionen aber vermutlich stark zu spüren bekommen.

Sind noch andere Maßnahmen denkbar?

Im Gespräch sind auch eine Unterstützung des Irans durch die Europäische Investitionsbank (EIB) und Hilfen für kleine und mittlere EU-Unternehmen, die nicht von den USA abhängig sind, sich aber vorstellen können, im Iran zu investieren. Zudem könnte versucht werden, bislang in US-Dollar abgewickelte Geschäfte künftig in anderen Währungen abzuwickeln, um US-Sanktionen zu umgehen.

Und was ist mit Sanktionen gegen die USA?

Die Amerikaner gelten im Fall des Iran-Abkommens als Vertragsbrecher, weil sie sich aus dem Deal zurückziehen, obwohl die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) dem Iran bescheinigt, alle Auflagen einzuhalten. Theoretisch könnten die anderen Vertragsparteien darauf mit Sanktionen reagieren. Die EU dürfte einen solchen Schritt allerdings trotz des riesigen Frusts über die Amerikaner nicht in Erwägung ziehen. Der Iran gilt ungeachtet des bisherigen Verzichts auf eine Atombombe auch in Europa als gefährlicher Unruhestifter im Nahen Osten. So unterstützt er zum Beispiel im Syrien-Krieg den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und im Bürgerkriegsland Jemen die Huthi-Rebellen. Als Bedrohung betrachtet der Westen auch das iranische Raketenprogramm. Dass die EU für den Iran einen schwerwiegenden Sanktionskonflikt mit den USA riskiert, ist derzeit nicht vorstellbar.

Mit welcher Haltung geht die Bundesregierung in die Gespräche?

Sie ist sich bewusst, dass es eine komplizierte Operation wird, zeigt sich aber erst einmal zuversichtlich. Außenminister Heiko Maas versprach Teheran unmittelbar vor den Gesprächen: «Solange sich Iran an das Abkommen hält, wird Europa das auch tun, unabhängig von der Entscheidung der USA.» Der Funke-Mediengruppe sagte der SPD-Politiker, es dürfe nichts unversucht bleiben, «diesen wichtigen Baustein der internationalen Abrüstungsordnung zu bewahren».

Was passiert, wenn der Rettungsversuch scheitert?

Der Iran könnte sein Atomprogramm wieder starten und damit eine Aufrüstungsspirale im Nahen Osten in Gang setzen. Damit würde die Gefahr bestehen, dass sich die Spannungen mit Israel noch einmal verschärfen und die rivalisierende Regionalmacht Saudi-Arabien ebenfalls nach der Atombombe greift. Die Welt würde ein ganzes Stück unsicherer - vielleicht würde es sogar zu einem Krieg gegen den Iran kommen. Schon jetzt steht zudem fest, dass Europa und die USA nicht mehr die Verbündeten sind, die sie einmal waren. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht die EU und die USA mittlerweile in einer «echten diplomatischen Krise». Der deutsche Europastaatsminister Michael Roth (SPD) bezeichnete den einseitigen Rückzug der USA aus dem Abkommen als eine «schwere Belastung der transatlantischen Beziehungen». (dpa)