Religionswissenschaftler Cuma Ülger: Beraten von IS-Rückkehrern besser als Einsperren

Der Pädagoge und Religionswissenschaftler Cuma Ülger hat die Bedeutung der Beratung von IS-Rückkehrern betont. Das helfe oftmals mehr, als die Menschen einfach wegzusperren, sagte der Experte des «Violence Prevention Network» bei einer Tagung am Freitag in Frankfurt am Main. Die meisten Rückkehrer landeten jedoch bei ihrer Ankunft in Deutschland sofort im Gefängnis. Dann sei es unverzichtbar, dort Gespräche mit ihnen zu führen. Zu dem Fachtag hatte die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank eingeladen, die Pädagogen im Umgang mit radikalisierten Jugendlichen berät.

Ülger betonte gleichzeitig, dass es in einigen Fälle notwendig und hilfreich sei, Rückkehrer erst einmal einzusperren. Es könne auch den Jugendlichen gut tun, mal zur Ruhe zu kommen und nachzudenken. Außerdem sei im Gefängnis die Wahrscheinlichkeit geringer, wieder Kontakt mit dem alten Umfeld aufzunehmen.

Viele IS-Rückkehrer kehrten traumatisiert und enttäuscht zurück, erklärte der Pädagoge weiter. Genau dort müsse man ansetzen. Wichtig sei es, den meist jungen Männern auf Augenhöhe zu begegnen. Wörter wie «Bruder» und «Salam alaikum» würden den Radikalisierten ein Gefühl von Gemeinschaft vermitteln. Dabei dürften die Mitarbeiter jedoch die Distanz nicht verlieren, erklärte der Mitarbeiter des «Violence Prevention Network», das jugendliche Aussteiger aus der islamistischen Szene berät.

An erster Stelle stehe, die jungen Leute zunächst von der islamistischen Szene fernzuhalten. Dann könnten die Rückkehrer zwar immer noch von ideologischem Gedankengut geprägt sein, seien aber höchstwahrscheinlich nicht mehr gewaltbereit.

Saba Nur Cheema von der Bildungsstätte Anne Frank betonte, dass in Zukunft die Arbeit mit Kindern von IS-Rückkehrern ein wichtiger Baustein sei. «Dafür haben wir aber nicht die notwendige Expertise», sagte Ülger. Das sei eher eine Aufgabe für die Jugendämter. Dort müssten etwa Psychologen mit dem Schwerpunkt Traumata die Kinder betreuen.

Nach Zahlen des Bundeskriminalamtes sind mehr als 960 Personen aus Deutschland nach Syrien oder den Irak ausgereist, um sich dort dem Kampf des «Islamischen Staates» anzuschließen. Etwa ein Drittel von ihnen sei inzwischen zurück in Deutschland. Experten rechnen nach den Gebietsverlusten des IS künftig mit deutlich mehr Rückkehrern. (epd)