«Ramadan vs. Europameisterschaft»: Die Fußball-EM im islamischen Fastenmonat

Die EM fällt zeitlich in den Ramadan. Müssen die muslimischenFußballer sich ans Fasten halten? Wie wird die Leistung beeinflusst? Was machen Özil und Co.? Antworten von Rainer Nolte

Müssen Spieler muslimischen Glaubens in der deutschen Nationalmannschaft den islamischen Fastenmonat Ramadan einhalten?

Nein, die Fußballer müssen das Fasten zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang nicht beachten. Laut einem islamischen Rechtsgutachten (Fatwa) der Kairoer Al-Azhar-Universität von 2010 dürfen muslimische Profifußballer das Fasten im Ramadan unterbrechen und sollen es nach Möglichkeit zu einem anderen Zeitpunkt nachholen. Dieses Gutachten war nach Gesprächen zwischen dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), der Deutschen Fußball Liga (DFL) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Auftrag gegeben worden. Die Al-Azhar-Universität ist eine der wichtigsten Lehrstätten im sunnitischen Islam. Ihre Rechtsgutachten sind deshalb weithin anerkannt.

Wie halten es die Spieler des DFB?

In der Nationalmannschaft spielen vier Muslime: Mesut Özil, Sami Khedira, Emre Can und Shkodran Mustafi. Der am 6. Juni beginnende Fastenmonat ist für die Akteure mit dem am 10. Juni startenden Turnier schwierig vereinbar. «Das Wetter ist im Sommer zu warm. Wir haben intensive Trainingseinheiten und Spiele. Da ist es für mich unmöglich zu fasten», sagte der gläubige Muslim Mesut Özil kürzlich dem Kölner «Express». Ob alle muslimische Spieler auch von anderen EM-Teilnehmern wie etwa der Türkei auf das Fasten bis zum Ramadanende am 5. Juli verzichten oder es verschieben, ist nicht bekannt.

Wie sehr benachteiligt das Fasten die Leistung eines Profispielers?

Die Leistungsfähigkeit der Spieler wird laut Hans Braun, Sport- und Ernährungswissenschaftler von der Deutschen Sporthochschule Köln, durch den Verzicht beeinträchtigt: «Flüssigkeitshaushalt und Kohlenhydratspeicher werden in der Zeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang nicht aufgefüllt. Bei einer Belastung länger als 60 Minuten - beispielsweise bei einer Fußballpartie - kann es deswegen zu einem Mangel und einem Leistungsabfall kommen», so der Ernährungswissenschaftler. Zudem sei eine bedachte Nahrungsaufnahme nach Sonnenuntergang gefragt. Die Speicher könnten nicht mit einer Mahlzeit aufgefüllt werden. «Außerdem darf der Verdauungstrakt nicht überbeansprucht werden. Die Fasten-Erfahrung der Spieler und die individuelle Beratung der Betreuer ist ein wichtiger Faktor, um die Reserven des Körpers verträglich aufzufüllen», erklärt Braun. Dabei sei sicher auch der Schlaf im Fokus, denn über das Essen dürfe man das «zeitlich begrenzte Regenerationsfenster bis Sonnenaufgang nicht vergessen».

Worauf sollten Sportler außerdem während des Ramadan achten?

«Gerade weil der Flüssigkeitshaushalt am Tag nicht aufgefüllt werden kann, sollte versucht werden, diesen so wenig wie möglich zu belasten», erläutert Braun. So sollte der Wasserverlust durch das Schwitzen reduziert werden. Dabei könne der Aufenthalt in klimatisierten Räumen helfen, aber auch Kühlwesten.

Kann man auch einen positiven Effekt aus dem Fasten ziehen?

Sicher werden laut dem Experten der Sporthochschule die Team-Verantwortlichen nicht die «psychologische Keule» auspacken, im Sinne von «Ihr seid geschwächt durchs Hungern». Eher werde wohl umgekehrt der Aspekt der mentalen Stärke hervorgehoben. «Wer die Ramadanregeln bei der EM trotz einer solchen Belastung befolgen will, der hat eine starke innere Einstellung. Mit dieser könnte es möglich sein, dass er den physiologischen Nachteil durch seine mentale Stärke ausgleicht oder sogar überflügelt.» (KNA)

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