Publizistin Canan Topçu an Bischof Oster: Muslime schweigen nicht zu Gewalt

Die muslimische Publizistin Canan Topcu kritisiert Forderungen des Passauer katholischen Bischofs Stefan Oster an die Muslime. Oster hatte nach dem Attentat von Nizza auf seiner Homepage gefordert, Muslime in Deutschland müssten mehr Flagge gegen Gewalt zeigen und mehr für die Entwicklung eines friedlichen Islam tun.

Topcu schreibt dazu in der neuesten Ausgabe der in Bonn erscheinenden "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag), die weitaus überwiegende Zahl der Muslime lehne Gewalt im Namen Gottes ab. "Und wir machen uns sehr wohl Gedanken darüber, wie wir der Gewalt im Namen des Islam Einhalt gebieten können."

Muslimische Theologen hätten sich immer wieder von Gewalt im Namen Allahs distanziert, fügte Topcu hinzu. Das gelte etwa für die 120 islamischen Gelehrten aus aller Welt, die vor zwei Jahren gemeinsam die Ideologie des Islamischen Staats verurteilt hätten. Auch muslimische Hochschullehrer und islamische Organisationen in Deutschland hätten sich regelmäßig gegen Terror und Gewalt positioniert, schreibt die Dozentin an der Fachhochschule Darmstadt im Bereich Medien.

"Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass die Inflation der öffentlichen Positionierungen gegen islamistische Gewalt beinahe selbst zum Problem geworden ist - denn so lassen sich weder die uns gegenüber kritisch eingestellten Nicht-Muslime überzeugen noch die Verblendeten, die Gewalt mit Koransuren legitimieren", so Topcu.

Als "nicht hilfreich" bezeichnete sie, dass Oster "wider besseres Wissen" darauf hingewiesen habe, dass Christen in Flüchtlingsunterkünften Verfolgungen ausgesetzt seien. "Erst jüngst kamen beide Kirchen in einer gemeinsamen Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass es keine flächendeckende und systematische Diskriminierung von Christen in Flüchtlingsheimen gibt", erklärte sie. "Mit der Wiederholung von Gerüchten und Fehlinformationen gießen Sie Öl ins Feuer und spalten mehr, als dass Sie versöhnen."

Topcu plädierte zugleich dafür, sich mit den zu Gewalt aufrufenden Passagen des Korans historisch-kritisch auseinanderzusetzen. "Nur so kann man einer Instrumentalisierung des Islam vorbeugen, die letztlich zu einer Radikalisierung junger Muslime führt."

Oster hatte angesichts des Terroranschlags von Nizza erklärt, ihm fehle "der große gemeinsame Aufschrei aller friedliebenden und wirklich ihrem Gott ergebenen Muslime der Welt, dass sie ihren Glauben nicht länger im Namen von Terroristen missbrauchen lassen wollen". (KNA) 

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