Irans rasselnder Säbel

Der Westen erhöht seinen wirtschaftlichen Druck auf den Iran, weil er dem iranischen Atomprogramm nicht traut. Der Iran wirft dem Westen vor, geheime Aktionen gegen seine Nuklear- und Militärprogramme zu unternehmen. Tatsächlich könnte die Angst des Iran vor einem offenen Krieg so stark steigen, dass er diesen selbst beginnt, meint Mehdi Khalaji.

Von Mehdi Khalaji

Während der Westen den wirtschaftlichen Druck auf den Iran verschärft, um dessen Ambitionen zur Entwicklung nuklearer Waffen zu stoppen, sind die Machthaber der Islamischen Republik nicht untätig. Da Iran nicht genug weiche Macht und wirtschaftliche Kapazität besitzt, um dem westlichen Druck zu begegnen, werden seine Führer wahrscheinlich zu Drohungen und vielleicht sogar zu Gewalt greifen, wie der kürzliche Angriff auf die britische Botschaft in Teheran zeigt.

Die iranischen Behörden behaupten, die Botschaft sei spontan von wütenden "Studenten" gestürmt worden. Diese entwendeten in der Botschaft Dokumente, setzten andere in Flammen und nahmen sechs Angestellte als Geiseln. Erst viel später stellte die Polizei die Ordnung wieder her und befreite die Geiseln.

Diese Szene gab es schon einmal: 1979 wurde die Botschaft der Vereinigten Staaten ebenfalls von "wütenden Studenten" angegriffen, was zu einer Feindschaft zwischen den beiden Staaten führte, die bis heute andauert. Ayatollah Ruhollah Khomeini war 1979 nicht über die Pläne der Studenten informiert. Aber später befürwortete er ihre Aktionen und machte den Anti-Amerikanismus zu einer Säule der iranischen Außenpolitik.

"Höhle der Spionage"

Der heutige Iran ist nicht der revolutionäre Iran von 1979. Heute, 32 Jahre nach der Gründung der Islamischen Republik, ist die Taktik des Landes für jeden offensichtlich. Die sogenannten Studenten sind Mitglieder der Basij-Miliz, die Befehl zum Angriff auf die Botschaft bekommen hatten, während die Polizei nur so tat, als würde sie sie aufhalten.

Iranischer Präsident Mahmud Ahmadinejad; Foto: AP
"Manche Experten argumentieren, dass, wenn bereits geheime Aktionen gegen die Nuklear- und Militärprogramme gegen den Iran stattfinden – wie die Ermordung von Atomwissenschaftlern und Explosionen in den Waffenlagern der Revolutionären Garde – der Krieg bereits begonnen hat", schreibt Mehdi Khalaji.

​​Die Regierung ist nicht der Ansicht, die Verantwortung für den Angriff übernehmen zu müssen. Niemand wird angeklagt oder verurteilt, die Identität der Angreifer bleibt im Dunkeln. Die mit Irans mächtiger Revolutionärer Garde verbundene Nachrichtenagentur Fars hat die britische Botschaft eine "Höhle der Spionage" genannt – mit demselben Begriff wurde 1979 die US-Botschaft beschrieben.

Dies ist nicht das erste Mal, dass eine europäische oder britische Botschaft von den Basij angegriffen wurde. Aber heute geht es um mehr als jemals zuvor. Als Antwort auf das iranische Nuklearprogramm und die iranischen Aktivitäten zur Geldwäsche hat Großbritannien die iranische Zentralbank sanktioniert. Im Gegenzug fühlte sich der Iran zu einer Antwort genötigt – die nicht nur im Angriff auf die britische Botschaft besteht: Einige Tage vor dem Angriff entschied sich eine Mehrheit des iranischen Parlaments dafür, die diplomatischen Beziehungen des Landes mit Großbritannien zurückzufahren.

In Reaktion auf verstärkte Angst vor westlichen Militäraktionen gegen Irans Nukleareinrichtungen haben Kommandeure der Revolutionären Garden kürzlich ihre Rhetorik gegen die USA und Israel verschärft. Amir Ali Hajizadeh, der Kommandeur der Luftfahrtabteilung der Garde, sagte, im Kriegsfall würden die "Raketenabwehrsysteme der NATO vom Iran angegriffen." Darüber hinaus drohte er, im Falle weiteren "wirtschaftlichen und kulturellen Drucks" würde das iranische Militär nicht tatenlos zusehen.

Auch Yahya Rahim Safavi, der Militärberater des Obersten Rechtsgelehrten Ayatollah Ali Khamenei und ehemaliger Oberbefehlshaber der Revolutionären Garden, appellierte an iranische Politiker, ihre Drohungen nicht bei Worten zu belassen, sondern militärisch zu antworten. Nicht nur rief er zur Offensive anstatt zur Defensive auf, sondern drohte, im Fall eines Krieges mit Israel würde Tel Aviv von der Hamas und der Hisbollah angegriffen.

Hat der Krieg bereits begonnen?

Manche Experten argumentieren, dass, wenn bereits geheime Aktionen gegen die Nuklear- und Militärprogramme gegen den Iran stattfinden – wie die Ermordung von Atomwissenschaftlern und Explosionen in den Waffenlagern der Revolutionären Garde – der Krieg bereits begonnen hat. Tatsächlich sind Khamenei und Kommandeure der Revolutionären Garden der Ansicht, der verdeckte Krieg werde sich unvermeidlich in einen offenen Schlagabtausch verwandeln, wenn Israel und der Westen wirklich glauben sollten, dass der Iran mit seinem Nuklearprogramm einen gefährlichen Punkt erreicht.

Blutige Handabdrücke an der britischen Botschaft in Teheran; Foto: dpa
"Dies ist nicht das erste Mal, dass eine europäische oder britische Botschaft von den Basij angegriffen wurde. Aber heute geht es um mehr als jemals zuvor", meint Khalaji.

​​Khamenei sagte kürzlich, dass "wir [den Westen und Israel] für seine Bedrohungen ebenfalls bedrohen sollten", was den stellvertretenden Generalinspekteur der Steitkräfte, Brigadier-General Mohammad Baqeri, zu der Schlussfolgerung veranlasste, "[Irans] Verteidigungsstrategie zu überdenken".

Bestimmt werden die Kommandeure der Revolutionären Garden ihre neue Strategie nicht offenlegen. Stattdessen hoffen sie, dass ihre eigenen verdeckten Aktionen den Westen davon abhalten, weitere Sanktionen und mehr Druck auszuüben. Also sollte der Westen sich nicht so sehr um die offiziellen Reaktionen des Iran kümmern, sondern vielmehr um die der "unabhängigen Elemente" wie derjenigen, die die britische Botschaft angegriffen haben. Kürzlich haben die USA einen US-Iraner beschuldigt, im Auftrag der Quds-Einheit (einer für Auslandseinsätze zuständigen Einheit der Revolutionären Garde) einen Anschlag auf den Saudi-Botschafter in Washington geplant zu haben.

Im Jahr 2007 haben iranische Streitkräfte eine Gruppe britischer Seeleute im Persischen Golf gefangen genommen und sie einige Wochen später nach starkem Druck aus Großbritannien wieder freigelassen. Bei der heutigen, viel höheren Spannung könnten solche Aktionen – sogar wenn sie von Unbekannten oder inoffiziellen Gruppen ausgeführt werden – einen Krieg auslösen. Tatsächlich könnte die Angst des Iran vor einem offenen Krieg so stark steigen, dass er diesen selbst beginnt.

Mehdi Khalaji

© Project Syndicate 2011

Mehdi Khalaji ist Senior Fellow am Washington Institute for Near East Policy.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de