Priester Jacques Mourad schildert seine Geiselhaft beim IS

Der vom «Islamischen Staat» verschleppte französische Priester Jacques Mourad hat erstmals nach seiner Freilassung Einzelheiten seiner Geiselhaft geschildert. Demnach malten ihm die Entführer seine Hinrichtung aus, um ihn zu einem Übertritt zum Islam zu bewegen. Die Milizen seien alles andere als primitiv, sondern «clever» und äußerst berechnend, sagte Mourad dem britischen Sender BBC (Mittwoch).

Mourad, Leiter des syrisch-katholischen Klosters Mar Elian in Karjatain bei Homs, war am 21. Mai gemeinsam mit einem Mitarbeiter des Klosters entführt worden. Seine Befreiung wurde am 10. Oktober bekannt; zuvor war es ihm mit anderen Christen gelungen, aus dem IS-Hoheitsgebiet nach Homs zu fliehen.

Nach eigenen Angaben wurden Mourad und sein Mitarbeiter Boutros Hanna nach dem Überfall Ende Mai gefesselt und mit verbundenen Augen in die Berge bei Karjatain verschleppt. Vier Tage später brachten die Entführer sie in die IS-Hochburg Rakka und hielten sie dort 84 Tage gefangen.

Mourad sagte, während dieser Zeit hätten sie genug zu essen erhalten und seien medizinisch versorgt worden. Wiederholt seien sie aber als «Ungläubige» bezeichnet und mit vorgehaltener Waffe über ihren christlichen Glauben befragt worden. Für ihre Weigerung eines Übertritts zum Islam habe man sie mit dem Tod bedroht.

Die Entführer hätten ihnen «im Detail geschildert, wie wir sterben würden», sagte Mourad. «Sie sind wirklich begabt darin, mit Worten und Vorstellungen zu terrorisieren.» Ein IS-Emir habe ihn und Hanna nach 84 Tagen in das zwischenzeitlich von den Milizen eroberte Karjatain zurückbringen lassen.

Dort habe nach weiteren 20 Tagen Haft ein Gremium von IS-Geistlichen die Entscheidung von Terrorchef Abu-Bakr al-Baghdadi über das Schicksal der Christen überbracht. Zu den Optionen zählte laut Mourad, die Männer hinzurichten und die Frauen zu versklaven; al-Baghdadi habe ihnen hingegen zugestanden, «als Bürger auf dem Gebiet des Islamischen Staats zu leben». Als Gegenleistung hätten die Christen ihren Besitz übereignen müssen, so Mourad.

Der Priester sagte weiter, er sei vom IS eingehend über die Kirchen und das Kloster in Karjatain befragt worden. Dabei habe er die Kenntnisse der Terrormiliz unterschätzt. «Sie wissen alles, jedes Detail», sagte Mourad. «Wir neigen dazu, sie für unkultivierte Beduinen zu halten. Das Gegenteil ist wahr. Sie sind clever, gebildet, mit Universitätsabschlüssen und sehr genau in ihren Plänen.»

Mourad sagte, er habe sich nach Homs abgesetzt, um auch andere Christen aus Karjatain zum Gehen zu bewegen. «Die Gegend ist ein Schlachtfeld», sagte er unter Verweis auf syrische Luftangriffe und den IS. Viele Christen wollten bleiben, weil sie keinen anderen Ort hätten. «Manche können nicht akzeptieren, vertrieben zu sein, und wollen lieber zu Hause sterben. Andere sind überzeugt, dass der Islamische Staat, mit dem sie einen Vertrag haben, sie schützt», sagte Mourad.

Derzeit lebten noch rund 160 Christen in Karjatain, so der Priester. «Sie sind geblieben, weil sie das wollten. Wir bitten Gott, sie zu schützen, denn die Stadt ist ein gefährliches Schlachtfeld. Es gibt keinen Schutz, nirgendwo ist es sicher», sagte Mourad. (KNA)

Die Geschichte des Jesuitenpaters Jacques Mourad war Teil der Dankesrede Navid Kermanis anlässlich seiner Frankfurter Friedenspreisrede.