Politischer Wirbel um Macrons Äußerungen zu Frankreichs Kolonialvergangenheit

Nach umstrittenen Äußerungen über die koloniale Vergangenheit Frankreichs geht der unabhängige Präsidentschaftsanwärter Emmanuel Macron auf Kritiker zu. Er bedauere, Menschen verletzt zu haben, sagte der frühere Wirtschaftsminister am Samstag in Toulon.

«Ich habe euch verstanden (...)», sagte Macron in Anlehnung an den früheren Staatspräsidenten Charles de Gaulle. Der General hatte im Juni 1958 während des Algerienkrieges im damals noch französischen Algier vor einer Menschenmenge gesprochen.

Etwa 200 Menschen demonstrierten am Rande des Wahlkampfauftritts von Macron, wie der Sender Franceinfo meldete. Der Ex-Minister hatte unlängst während eines Algerien-Besuchs in einem Interview die Kolonisierung als ein «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» bezeichnet. Das bedeute jedoch nicht, dass Menschen, die im damals französischen Algerien lebten oder in der Armee dienten, Verbrecher gegen die Menschlichkeit gewesen seien, erläuterte er später. Verantwortlich sei der französische Staat.

Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, warf Macron vor, ein «Verbrechen» an Frankreich zu begehen. Der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon nannte Macrons Äußerungen «unwürdig für einen Präsidentschaftskandidaten der Republik». Sie zeugten von «Verachtung» für die französische Geschichte.

Mit dem Interview grenzt sich der sozialliberale Politiker Macron weiter von Staatschef François Hollande ab, in dessen Kabinett er bis zum vergangenen Sommer zwei Jahre lang als Wirtschaftsminister diente. Hollande hatte es bei einem Besuch in Algerien 2012 abgelehnt, sich für die Kolonialzeit zu entschuldigen.

Das nordafrikanische Land ist seit 1962 von Frankreich unabhängig. Dem ging ein achtjähriger Krieg zwischen Befreiungskämpfern und der französischen Kolonialmacht voraus, bei dem hunderttausende Menschen getötet wurden.

In Frankreich wird schon seit Jahren über eine Neubewertung der Kolonialgeschichte diskutiert. Im Dezember 2007 erklärte Präsident Nicolas Sakozy bei einem Besuch in Algerien, das Kolonialsystem «sei zutiefst ungerecht» gewesen. Auch Hollande sprach im März 2016 bei einer Gedenkfeier von «Unterdrückung, Rache, Attentaten und Massakern» durch Franzosen. Eine Entschuldigung lehnten bisher aber alle Staatschefs ab.

Rückenwind bekam Macron indes von Außenminister Jean-Marc Ayrault. Macron, der ein sehr europäisches Programm vertrete, sei Ziel von Cyberangriffen aus Russland, während Moskau Le Pen oder den konservativen François Fillon vorziehe, sagte der Sozialist Ayrault der Wochenzeitung «Journal de Dimanche». «Diese Art der Einmischung in das demokratische Leben Frankreichs ist nicht hinnehmbar und ich verurteile sie.» Macrons politische Bewegung «En Marche!» hatte Moskau bereits vorgeworfen, in den Wahlkampf einzugreifen.

Macron gilt als Favorit für die Nachfolge Hollandes, der nicht mehr antritt. Laut Umfragen käme er in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 23. April voraussichtlich auf Platz zwei hinter Le Pen und vor Fillon. In der Stichwahl Anfang Mai wird aber mit einem deutlichen Sieg Macrons über Le Pen gerechnet. (dpa/AFP)