Nordiraks Kurden stimmen in Referendum über Unabhängigkeit ab

Millionen von Kurden im Nordirak sehen in ihrem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum die Chance auf einen eigenen Staat. Ob Bagdad, Teheran oder gar Istanbul das so hinnehmen, bleibt abzuwarten. Von Jan Kuhlmann

Die Kurden im Nordirak stimmen an diesem Montag in einem umstrittenen Referendum über ihre Unabhängigkeit ab. Mehr als fünf Millionen Wähler sind aufgerufen, über die Abspaltung vom restlichen Teil des Iraks zu entscheiden. Gegen das Referendum gibt es massiven Widerstand. Die irakische Zentralregierung hält die Abstimmung für verfassungswidrig. Auch die USA als wichtiger Verbündeter der Kurden im Nordirak, die UN und der Iran sprachen sich gegen das Referendum aus. Die Türkei forderte eine Absage und drohte mit Sanktionen.

Irans Präsident Hassan Rohani forderte von Bagdad eine «besonnene» Reaktion auf das Referendum. Teheran sei gegen die Abstimmung und stehe diesbezüglich voll und ganz auf der Seite der irakischen Zentralregierung, versicherte Rohani dem irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi am Sonntagabend. Gleichzeitig aber hoffe er und sei sich auch sicher, dass der Irak «besonnen und klug» auf das Referendum reagieren und auch dieses Problem lösen werde, so Rohani in dem Telefonat mit Al-Abadi.

Der Iran hat am Sonntag den Luftraum zu den kurdischen Autonomiegebieten geschlossen, wie ein Sprecher des iranischen Sicherheitsrates in Teheran erklärte. Damit sei der Iran einem Wunsch der irakischen Zentralregierung in Bagdad gefolgt. Es wird damit gerechnet, dass sich eine große Mehrheit der Wähler für die Unabhängigkeit aussprechen wird. Allerdings ist das Referendum rechtlich nicht bindend. Die Kurden genießen in ihren Autonomiegebieten im Nordirak bereits jetzt große Selbstständigkeit. So haben sie in ihrer Hauptstadt Erbil eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament.

Zudem exportieren sie Öl in die Türkei. Umstritten ist das Referendum auch deswegen, weil zugleich in Gebieten gewählt werden soll, die eigentlich unter Hoheit der Zentralregierung in Bagdad stehen, aber von den Kurden ebenfalls beansprucht werden. Dazu gehört die ölreiche Provinz Kirkuk, die die kurdischen Peschmerga im Zuge der Kämpfe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unter Kontrolle bringen konnten.

Kurden-Präsident Massud Barsani gab Iraks Zentralregierung die Verantwortung für das Referendum. Diese habe die Kurden über Jahrzehnte unterdrückt und benachteiligt. «Wir haben unser Bestes getan, um eine Lösung mit Bagdad und der internationalen Gemeinschaft zu finden», sagte Barsani am Sonntag. «Bagdad hat uns nicht akzeptiert und uns damit dazu gezwungen, diesen Schritt zu machen.»

Es gebe kein Zurück zu dieser «gescheiterten Beziehung». Barsani erklärte, er erwarte keine Zusammenstöße mit der irakischen Armee. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer seien aber bereit, auf jeden Angriff zu reagieren. Der Türkei und dem Iran sagte er zu, die Kurden würden ein Faktor für Stabilität in der Region sein und sich an internationale Grenzen halten. (dpa)