Netanjahu widerruft Zweistaatenlösung mit Palästinensern

Unmittelbar vor der Parlamentswahl in Israel hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Kehrtwende in seiner Palästinenser-Politik vollzogen und die Zweistaatenlösung aufgegeben. "Wer auch immer die Schaffung eines Palästinenser-Staates möchte oder den Abzug aus Gebieten fordert, überlässt einfach nur diese Gebiete für die Angriffe islamistischer Terroristen auf Israel", sagte er dem Nachrichtenportal NRG. Auf die Frage, ob damit die Gründung eines palästinensischen Staates im Falle seiner Wiederwahl ausgeschlossen sei, erklärte er: "Genau".

Damit rückt Netanjahu in der bislang deutlichsten Form von der Zweistaatenlösung ab, auf die er sich selbst in einer Grundsatzrede 2009 verpflichtet hatte. Auch die USA und die EU sehen in einer Zweistaatenlösung die einzige tragfähige Lösung für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.

Netanjahu liegt in Umfragen knapp hinter dem Mitte-Links-Bündnis "Zionistische Union". Das Bündnis aus Arbeitspartei und der liberalen Partei von Ex-Außenministerin Zipi Livni befürwortet die Wiederbelebung der Friedensverhandlungen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

Arbeitsparteichef Isaac Herzog und Livni werfen Netanjahu vor, die Angst vor radikalen Palästinensern und dem iranischen Atomprogramm zu thematisieren, um im Wahlkampf von sozialen Fragen abzulenken.

Netanjahu will mit seiner Absage an einen Palästinenser-Staat offenbar die Unterstützung ultrarechter Wähler in Israel gewinnen. Die Aussage richtet sind insbesondere an die Wählerschaft der Siedlerpartei seines bisherigen Wirtschaftsministers Naftali Bennett, der Netanjahus Likud-Partei Umfragen zufolge viele Wähler streitig macht.

Netanjahu hatte sich in seiner Grundsatzrede an der Jerusalemer Bar-Illan-Universität zu Verhandlungen über einen eigenen palästinensischen Staat bekannt und dafür Bedingungen genannt, beispielsweise einen entmilitarisierten Status Palästinas.

Auch Herzog wartete kurz vor Öffnung der Wahllokale mit einer Überraschung auf. Er erklärte ein Rotationsabkommen zwischen ihm und Livni für nichtig. Dieses sah vor, dass im Falle eines Sieges beide abwechselnd die Rolle des Ministerpräsidenten übernommen hätten. Dieses Abkommen habe jedoch einige Wähler verprellt, begründete Herzog die Rücknahme der Vereinbarung.

Unterdessen hat Netanjahu in einem dramatischen Appell rechtsorientierte Wähler zur Rettung seiner Machtbasis aufgerufen. «Die Herrschaft der Likud-Partei ist in Gefahr», schrieb Netanjahu am Tag der Wahl am Dienstag auf seiner Facebook-Seite. «Arabische Wähler gehen in Massen in die Wahllokale, linksorientierte Organisationen bringen sie in Bussen dorthin.»

Netanjahu befürchtet eine Niederlage und einen Vorsprung des Mitte-Links-Bündnisses von Izchak Herzog bei der Wahl. Das neue arabische Parteienbündnis könnte laut Umfragen drittstärkste Kraft werden. Die Wahlbeteiligung lag bis Mittag bei 26,5 Prozent, etwa wie bei der letzten Wahl im Jahre 2013 zur gleichen Zeit. (Reuters/dpa)