Navid Kermani: Handlungen von Muslimen nicht auf ihre Religion zurückführen

Der Schriftsteller Navid Kermani plädiert dafür, Handlungen von Muslimen nicht immer auf ihren Glauben zurückzuführen. «Wir müssen nicht alles, was Muslime tun, aus ihrer Religion herleiten, weder im Guten noch im Bösen», sagte Kermani dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sein eigenes Engagement komme eher aus seinen Erlebnissen und Reisen, auch wenn er sicherlich einige «ethische Momente» aus seinem Glauben ableite. «Ich denke, das ist eher eine Frage meiner Generation als meiner Religion», sagte er.

Für sein neues Buch «Einbruch der Wirklichkeit» war der 48-Jährige Ende September 2015 auf der Flüchtlingsroute durch Europa gereist und hatte mit Flüchtlingen, Helfern, Einheimischen und Politikern gesprochen. Er wisse nicht, ob die vielen jungen muslimischen Freiwilligen sich Gedanken darüber machten, «ob sie aus einem religiösen Motiv handeln», sagte der Orientalist Kermani. Er selbst hatte zum Abschluss seiner Rede bei der Entgegennahme des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels im Oktober 2015 die Zuhörer zum Gebet für Christen aufgerufen, die von der Terrororganisation «Islamischer Staat» entführt worden waren.

Auch nach den sexuellen Übergriffen offenbar hauptsächlich durch Nordafrikaner in der Silvesternacht in Köln sieht Kermani weiterhin ein großes Engagement für Flüchtlinge: «Die Hilfsbereitschaft ist allerorten geblieben, in Städten wie Köln gibt es Wartelisten für Helfer.»

Der Schriftsteller, der in Köln lebt, kritisierte Medien und Politiker für aus seiner Sicht übertriebene Reaktionen. Zunächst sei im September die Willkommenskultur «etwas übertrieben und medial inszeniert» worden, jetzt wende sich ein Teil der Politik und ein großer Teil der Medien wieder ab und inszeniere «die kollektive Überforderung der Deutschen». Seiner Beobachtung nach nehmen die Deutschen zwar die Probleme wahr, die die große Zahl der Flüchtlinge mit sich bringt. «Aber die Diskussionen verlaufen in weiten Teilen der Gesellschaft nicht so hysterisch wie in den Medien dargestellt», sagte er. Speziell das Internet sei laut, aber nicht repräsentativ. (epd)

Navid Kermanis Frankfurter Friedenspreisrede finden Sie hier.