Aufbruch zu neuen Ufern

Obgleich noch immer viele muslimische Sportlerinnen mit zahllosen Hindernissen in ihren Ländern zu kämpfen haben, ringen sie um gesellschaftliche Anerkennung – und haben dabei Erfolg. Marium Sattar berichtet.

Von Marium Sattar

Bei der ersten Zeremonie dieser Art wurde die Fechterin und große Olympiahoffnung Ibtihaj Muhammad für ihre Verdienste als muslimische Sportlerin bei den Ambassador Awards geehrt. Durchgeführt wurde die Preisverleihung in der ersten Maiwoche von der "Muslim Women's Sport Foundation", um muslimische Sportlerinnen zu ehren.

Die Preise sollen daran erinnern, dass muslimische Sportlerinnen oft Pionierarbeit im Bereich des Sports leisten und dabei helfen, stereotype Denkmuster und Wahrnehmungen gegenüber Menschen islamischen Glaubens in der Gesellschaft zu verändern.

Auch wenn es im heutigen Sport mehr muslimische Frauen gibt als früher, werden sie noch immer zu wenig in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Ein Beispiel ist Halet Çambel, ebenfalls eine Fechterin, die als erste muslimische Frau an den Olympischen Spielen 1936 für die Türkei teilnahm.

Fechterin Ibtihaj Muhammad; Foto: AP
Ibtihaj Muhammad: "Nicht in einer Million Jahre wäre ich darauf gekommen, dass es ausgerechnet mein Hijab sein würde, der mich dazu bringt, mit dem Fechten zu beginnen – eine Sportart, die ein solch wichtiger Teil von mir geworden ist. Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, ohne diesen Sport zu leben."

​​Viele Athleten wie sie wurden bei der Preisverleihung geehrt, Muhammad wurde sogar als internationale Sportlerin des Jahres ausgezeichnet. Dennoch ist der Anteil der Frauen in einigen islamischen Ländern nach wie vor recht gering.

Kleidung als Barriere

Eine Herausforderung, der sich einige der muslimischen Sportlerinnen gegenübersehen, ist das Regelwerk zur vorgeschriebenen Sportkleidung. Gleichzeitig aber ist es ihnen gelungen, eine Bresche zu schlagen für diejenigen, denen einerseits an einer islamkonformen Kleidung gelegen ist, ohne andererseits auf die Teilnahme an Wettkämpfen in ihren jeweiligen Sportarten zu verzichten.

So verfügte 2007 die FIFA für Fußballspielerinnen ein Verbot des Kopftuches, da befürchtet wurde, das Tragen des Hijab könnte zu unbeabsichtigten, schweren Unfällen führen. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass die iranische Frauenfußballmannschaft nicht an der Qualifikation zum olympischen Fußballturnier teilnehmen konnte. Doch für dieses Jahr plant die FIFA, die Regel neu zu fassen, da es inzwischen neuartige, speziell für Athletinnen entwickelte Hijabs gibt. Nach weiteren Sicherheits-Tests dieser Kopftücher soll die Entscheidung zu einer Zulassung am 2. Juli verkündet werden.

WM-Fechterin Ibtihaj Muhammad sagt, dass ihr Glaube, der von Frauen verlangt, sich angemessen zu kleiden, sie dazu bewegte, sich für den Sport zu entscheiden, da man beim Fechten von Kopf bis Fuß bedeckt sein müsse. "Oft, wenn ich an einem Wettkampf teilnehme, bin ich die einzige Afro-Amerikanerin, ja, die einzig dunkelhäutige Sportlerin und ganz gewiss auch die einzige Muslima – und das nicht nur unter den Sportlerinnen, die die USA vertreten, sondern im gesamten Wettkampf. Das kann schon ganz schön schwierig sein ...", sagt sie.

Angesichts dieser herausgehobenen Stellung bieten muslimische Sportlerinnen eine Inspiration für junge Frauen auf der ganzen Welt. Dennoch werden Frauen muslimischer Herkunft im Kampf gegen kulturelle Beschränkungen mit vielen Problemen konfrontiert: sei es, weil ihre Eltern sich gegen die Ausübung des Sportes wenden, sei es, weil es ihnen an Vorbildern fehlt.

Doch es gibt auch ermutigende Signale: Allen Hindernissen zum Trotz nahm beispielsweise die pakistanische Läuferin Naseem Hameed an den Südasienspielen in Bangladesh im Jahr 2010 teil und holte die Goldmedaille über 100 Meter, was sie zur schnellsten Frau Südasiens machte.

Pakistans Läuferin Naseem Hameed (m.) mit ihrer Mutter und ihrem Vater; Foto: AP
Schnellste Frau Südasiens: Die 23-jährige pakistanische Läuferin Naseem Hameed holte für ihr Land bei den 11. Südasienspielen die Gold-Medaille.

​​Wenn es mehr Athletinnen wie Hameed gelingt, in den Fokus der Öffentlichkeit zu gelangen, kann dies durchaus dazu führen, dass sie vielen anderen jungen Frauen als Vorbild dient und sie zur Nachahmung anspornt.

Andere muslimische Sportlerinnen hatten mit weitaus höheren Hürden zu kämpfen: so etwa Sadaf Rahimi, eine 17-jährige Boxerin aus Afghanistan und eine der Nominierten bei den Ambassador Awards.

In ihrer Heimat wird sie sowohl mit fehlenden Trainingsmöglichkeiten konfrontiert, als auch mit den schwierigen Lebensbedingungen, die bis heute von den Taliban geprägt sind und welche die sportliche Betätigung von Frauen fast gänzlich ausschließen. Rahimi, die Afghanistan bei den diesjährigen Olympischen Spielen in London vertreten wird, hat bereits jetzt viele Vorurteile über afghanische Frauen grundlegend in Frage gestellt. Wie ihre Mitstreiterinnen tritt sie dem Missverständnis entgegen, dass muslimische Frauen im Sport nichts erreichen könnten und demonstriert auf eindrucksvolle Weise, dass Durchhaltevermögen selbst die größten Barrieren aus dem Weg räumen kann.

Der Beginn einer neuen Ära?

Muslimische Staaten wie Qatar ließen jüngst verlautbaren, dass sie erstmals auch weibliche Athletinnen zu den Olympischen Spielen schicken wollen. Auch Brunei nominierte erstmalig eine Läuferin für diesen Wettbewerb: Maziah Mahusin, die die 400 Meter läuft, und das auch auf der Hürdenstrecke. Ihr Engagement im Sport kündet vom Beginn einer neuen Zeit – einer Ära, die den Frauen eine größere Teilhabe bietet und die beweist, dass Regierungen sich fügen müssen, wenn Frauen entschlossen für ihre Rechte einstehen.

Viele Athletinnen bei den "Ambassador Awards" erklärten, dass sie niemals damit gerechnet hatten, einmal so viel erreichen zu können – eine Realität, die jungen Frauen zeigt, dass vielleicht auch sie zu Leistungen fähig sind, die sie selbst noch gar nicht für möglich halten.

Ibtihaj Muhammad hatte viel darüber nachgedacht, wie sehr ihr Glaube und der Sport ihre Identität geformt haben: "Nicht in einer Million Jahre wäre ich darauf gekommen, dass es ausgerechnet mein Hijab sein würde, der mich dazu bringt, mit dem Fechten zu beginnen – eine Sportart, die ein solch wichtiger Teil von mir geworden ist. Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, ohne diesen Sport zu leben."

Marium Sattar

© Qantara.de/Common Ground News Service (CGNews) 2012

Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Kiecol

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de