Grauzone statt Rampenlicht

Seit der islamischen Revolution erlebt die Musikszene im Iran ein Auf und Ab. Zeitweise war sie verboten, heute ist sie beliebter denn je. Aber viele Musiker wandern auf einem schmalen Grat zwischen Kritik und Zensur. Bamdad Esmaili berichtet.

Von Bamdad Esmaili

Die Präsidentschaftswahlen im Iran vor vier Jahren und die darauf folgenden Proteste haben viele noch vor Augen. Damals schossen Songs zur neu entstandenen, so genannten "grünen Bewegung" wie Pilze aus dem Boden. Musiker innerhalb und außerhalb des Iran veröffentlichten fast täglich neue Stücke im Internet.

Der aus dem nordiranischen Babol stammende Musiker Arya Aramnejad ist einer von ihnen. Sein Song "Ali Barkhiz", den er während des religiösen Aschura-Festes 2009 veröffentlicht hatte, wurde ihm allerdings zum Verhängnis.

In seinem Musikvideo singt Arya Aramnejad: "Welche Sünde hat das Volk begangen? Wir wollen nur Freiheit" und zeigt dabei die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Milizen und den Demonstranten. Er bittet den Imam Ali, den ersten Imam der Muslime, "aufzustehen" und etwas zu unternehmen. Die Folge: Mehrmals musste der Musiker in Haft, in der er viele Repressalien durchlebte. Erst Anfang 2013 wurde er wieder entlassen.

Unterdrückung von Musikern

Arya Aramnejad ist kein Einzelfall. Ein weiterer iranischer Musiker, der von einem Tag auf den anderen sogar weltberühmt wurde, ist der in Köln lebende Künstler Shahin Najafi. Sein Song "Naghi" sorgte 2012 für Aufsehen, weil er den gleichnamigen Imam nach Meinung der religiösen Machthaber im Iran beleidigt haben soll.

Der mittlerweile in Köln lebende iranische Rapper Shahin Najafi; Foto: Shirin Kasraeian
Im Visier der Tugendwächter und Hardliner: Im vergangenen Jahr machten vier Todesdekrete von islamischen Geistlichen gegen den in Deutschland lebenden iranischen Rapper Shahin Najafi Schlagzeilen.

​​Dies hatte gleich vier Fatwas - islamische Rechtsgutachten - von verschiedenen Ajatollahs zur Folge. Fatwas, die jeden Muslim auf der Welt berechtigen, Najafi zu töten. Eine schiitische Internetseite rief sogar ein Kopfgeld von 100.000 Dollar aus.

Shahin Najafi musste mehrere Monate untertauchen, bekam Polizeischutz und fürchtete um sein Leben. Aber auch vorher, als er noch im Iran lebte, sei die Situation für ihn nicht einfach gewesen, sagt Najafi.

"Ein Sänger, der im Iran auftreten will, muss wie ein Stück totes Holz auf der Bühne stehen und darf sich nicht zur Musik bewegen", klagt der heute 32-Jährige. Er sei aber anders und wolle sich auf der Bühne verhalten wie westliche Künstler.

"Wieso können Musiker und Vorbilder wie Bob Dylan oder Metallica ihren Bühnenauftritt ausführlich genießen, wir aber nicht?", fragt sich Shahin Najafi. Er wollte sich nicht verbiegen lassen, berichtet Najafi. So kam es, dass Milizen im September 2004 eines seiner illegal veranstalteten Konzerte stürmten. Najafi wurde angeklagt, konnte aber kurz vor Prozessbeginn in die Türkei flüchten. Vor acht Jahren beantragte Shahin Najafi in Deutschland politisches Asyl.

Kaum legale Musiker im Iran

Nicht allen Musikern geht es so wie Shahin Najafi. "Legale" Musiker haben es etwas einfacher. Sie interpretieren meist traditionelle Lieder, und solange Musik und Gesang nicht von den Vorstellungen des so genannten Ershad-Ministeriums für Kultur und islamische Führung abweichen, bekommen sie eine Genehmigung für die Albumproduktion.

Bei Popmusikern ist es etwas anderes, da sie viel mit westlichen Elementen arbeiten; sie stehen deutlich mehr im Visier der Regierung. Weder dürfen die Texte islam- oder regimekritisch sein, noch dürfen die Songs zu modern und westlich klingen.

Die iranische Rockband Nioosh Band; Foto: © Nioosh Band
Schmale Gratwanderung zwischen erlaubten und verbotenen Tönen: die iranische Rockband "Nioosh" während eines Konzertes in Teheran

​​Auf den Konzerten darf weder getanzt noch geklatscht werden. Deshalb arbeiten viele Musiker im Iran illegal und veröffentlichen ihre Songs ohne Genehmigung.

Popmusiker Alireza Bolouri etwa treibt dieses Versteckspiel mit den Behörden schon seit über zehn Jahren: "Obwohl wir uns im gesetzlichen Rahmen eines islamischen Landes bewegen, können viele von uns keine öffentlichen Konzerte geben", beteuert der 37-jährige Teheraner. So kommt es, dass Bolouri statt auf der großen Bühne auf Hochzeiten oder Firmenfeiern singt, um über die Runden zu kommen.

Auslandskonzerte verbinden Fans und Künstler

Um dennoch Geld für die kostspieligen Videos und Albumproduktionen zu verdienen, hat sich seit Jahren ein enormer Markt entwickelt – im Ausland. Künstler mit Verbindungen in den Westen treten vermehrt in Europa oder den USA auf, wie auch Alireza Bolouri, der zum persischen Neujahr im März 2013 in Bonn sein erstes Europakonzert gab.

Andererseits organisieren Exiliraner seit einigen Jahren verstärkt Konzerte für wohlhabende Iraner, nicht im Iran selbst, aber in den Nachbarländern. Seit einiger Zeit gibt es etwa in Dubai, in der Türkei oder gar im kurdischen Teil Iraks Popkonzerte mit beliebten iranischen Stars wie "Googoosh", "Ebi" oder "Daryush". Fans aus dem Iran reisen dann in Scharen zu den Konzerten ins Ausland und erleben so selbst ihre Idole auf der Bühne.

Iranische Musiker haben aber auch mit einem weiteren Problem zu kämpfen: mit illegalen Raubkopien. In kaum einem Land der Welt boomt der Handel mit Raubkopien so sehr wie im Iran. In der Islamischen Republik gibt es kein Copyright. Demzufolge werden Songs ohne großen Aufwand im Netz vervielfältigt.

Dies bringe die Musiker dort in echte finanziellen Schwierigkeiten, meint Siamak Khahani, Geiger der iranischen Popband "Arian". "Früher war das nicht so spürbar, da haben wir mit unseren Alben im Iran Verkaufsrekorde gebrochen", erinnert sich Khahani, "aber die Zeiten sind vorbei, obwohl wir noch immer die gleiche Band sind und die gleiche Musik machen".

Siamak Khahani hofft, dass es im Iran bald ein neues Copyright-Gesetz gibt, das dafür sorgt, dass Musiker auch von ihrer Kunst leben können. "Wir alle haben noch andere Jobs. Musik kann für uns nur ein Hobby sein".

Bamdad Esmaili

© Deutsche Welle 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de