"Mufti-Gesetz" in der Türkei verabschiedet

Das Parlament der Türkei hat das sogenannte Mufti-Gesetz verabschiedet. Demnach dürfen jetzt auch Angestellte der Religionsbehörde Diyanet rechtsgültige Ehen schließen, wie türkische Medien am Donnerstag berichteten.

Die Regierung hatte den Entwurf vor einigen Monaten eingebracht, um die hohe Zahl nicht registrierter Ehen in ländlichen Regionen zu reduzieren. Seit 1926 konnten Paare, die ausschließlich religiös heirateten, mit Gefängnis bestraft werden. Oft fehlten jedoch Beamte, um die Ehe rechtsgültig zu schließen.

Am 13. Oktober hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan vor Anhängern gesagt: "Dieses Gesetz wird kommen, ob Ihr wollt oder nicht. Die Menschen wollen sowohl religiöse als auch zivile Zeremonien. Sie respektieren Muftis mehr als Beamte."

Frauenrechtsgruppen und Oppositionelle kritisieren das Gesetz scharf. Sie sehen darin einen weiteren Schritt in Richtung Islamisierung der türkischen Gesellschaft. Das Gesetz ebne den Weg zur in anderen muslimischen Ländern praktizierten Vielehe. Außerdem befürchten die Kritiker eine Zunahme von Eheschließungen mit minderjährigen Mädchen. Schätzungen zufolge werden in der Türkei 15 Prozent aller Mädchen vor ihrer Volljährigkeit verheiratet.

Mehrere Feministinnen demonstrierten vor dem türkischen Parlament in Ankara gegen das Gesetz. Laut türkischen Medienberichten handelte es sich vor allem um Frauenrechtsgruppen und Juristinnen aus den Oppositionsparteien CHP und HDP. Die Polizei versuchte den Angaben zufolge, die Kundgebung zu behindern. "Wir werden dieses Gesetz nie akzeptieren", sagte die unabhängige Abgeordnete Aylin Nazliaka der Tageszeitung "BirGün". Der Entwurf schaffe eine gesetzliche Basis für Missbrauch und Kinderehen. (KNA)