Mit «i, Slam» gegen Islamophobie - junge Muslime geben Kontra

Viele Muslime leiden unter Generalverdacht und Vorurteilen. Das merkt man auch in der Kunst. Junge Poeten islamischen Glaubens verpacken ihre Kritik in Gedichte. Und finden deutliche Worte. Von Valentin Frimmer

Najat Karoua hat die Nase voll. Die junge Muslima steht mit schwarzem Kopftuch und rosa Mantel auf der Bühne und wehrt sich mit Ironie gegen islamophobe Stimmungsmacher: «Ich unterstütze Euch, weil wir unzumutbar für einen jeden von Euch sind.» Ihre Stimme ist laut, sie reckt die Hand nach oben. «Wir versuchen uns ja zu integrieren und feiern sogar Ostern. Bloß werden bei uns buntbemalte Handgranaten versteckt, damit ein jeder von euch verreckt.»

Die 22-jährige Poetin aus Bielefeld studiert Französisch und Deutsch - und das hört man. «Eine Nation schreit Integration und die Xenophobie führt wieder einmal zur Autosegregation.» Karoua ist an diesem Abend (Samstag) nicht die Einzige, die rechtspopulistischen Ansichten die Stirn bieten will. Neun junge Poeten aus ganz Deutschland sind für einen muslimischen Dichterwettstreit ans Staatstheater nach Braunschweig gekommen. Rund 300 Menschen sitzen im Publikum, viele von ihnen selbst Muslime.

Beim «i, Slam», einem Poetry Slam, schlagen viele der jungen muslimischen Dichter in eine ähnliche Kerbe. «An was denken Sie, wenn Sie Moslem hören?», fragt der 19-jährige Ilhan Hancer aus Berlin provokant. «Denken Sie an Kameltreiber oder an ganz normale Menschen, die mit Cap und Brille durch die Straßen schlendern?»

Es gebe kaum eine Plattform für junge Muslime, um sich öffentlich zu äußern, sagt Veranstalter Younes Al-Amayra (29) aus Berlin, der sich den «i, Slam» ausgedacht hat und mit wechselnden Vortragenden durch Deutschland tourt. Mitte März stand die Pegida-Hochburg Dresden auf dem Terminplan, im Mai ist Münster dran.

Dabei müsse man doch gerade mit den jungen Muslimen den Dialog führen, sagt der Lehrer Al-Amayra. «Für den Brückenschlag sind sie die Prototypen.» Anders als beispielsweise in Talkshows kämen die jungen Muslime bei diesem Dichterwettstreit selbst zu Wort. «Hier ist das Publikum gezwungen, zuzuhören.»

Und das Publikum hört zu. Drei Monate nach den Anschlägen von Paris dichtet die 21-jährige Medizinstudentin Nemi El-Hassan: «Aber Deutschland hat Angst, manchmal auch vor mir. Du musst Dein Denken reformieren, Deutschland, weil wir alle im selben Boot sitzen und ich die Löcher stopfe, die ihre Gewehre in unseren Bug rissen.» Sie fährt fort: «Glaub mir Deutschland. Angst ist ein schlechter Berater. Angst löscht Deine Liebe, von der ich wünscht sie bliebe. Zwischen mir und Dir und in diesen Tagen erst recht.»

Nach den bis zu sechs Minuten langen Texten stimmt das Publikum ab. Mit kleinen Plastikmünzen votieren die Zuhörer für den ihrer Meinung nach besten Vortrag. Gewinnen wird am Ende Sami El-Ali, der sich in seinem ersten Gedicht scheinbar in herablassender Weise über seine Frau äußert. Er trägt dasselbe Gedicht ein zweites Mal vor, diesmal spricht er zu seinem Sportschuh, den er hochhält. Die Botschaft: Man ist bereit zu glauben, was zum Klischee passt. Das Publikum trampelt und klatscht.

Es gibt auch unschöne Momente an diesem Abend. Die scharfe, gereimte Kritik an der Gaza-Politik Israels der 18-jährigen Hana Zallama aus Hamburg gipfelt in dem Ausruf «Dreckige Zionisten». Ilhan Hancer versteigt sich zu einem kruden Vergleich: «Was ist der Unterschied zwischen Juden und Muslimen? Die Juden haben es hinter sich.»

Die Deutschstudentin Najat Karoua legt nach ihrem Auftritt Wert auf eine Feststellung. «Was mir wichtig ist: dass ich mich nicht als Opfer sehe», sagt sie hinter der Bühne. Sie will sich über Islamophobie lustig machen und wird dabei manchmal sehr ernst: «Denn ich bin nur ein Kopftuchmädchen, dessen Migrationshintergrund immer im Vordergrund steht, weil sich in euren Köpfen nichts bewegt.» (dpa)

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