Mit Eifer gegen die Freiheit - Ägypten geht aggressiv gegen Künstler und Intellektuelle vor

Die Regierung in Ägypten behauptet gegen Islamismus und Extremismus vorzugehen - stattdessen treffen die jüngsten Repressionen vor allem unpolitische Künstler und Intellektuelle. Wie den Schriftsteller Ahmed Naji. Von Elisa Makowski

«Es gibt Zensur in Ägypten und immer wieder werden Bücher verboten, aber die Tatsache, dass jemand ins Gefängnis muss wegen eines Textes, den er geschrieben hat - das ist wirklich beispiellos in Ägypten.» Nancy Okail ist Geschäftsführerin des «The Tahrir Institute for Middle East Policy» (TIMEP) in Washington.

Zusammen mit ihrem Team engagiert sie sich für die Freilassung von Ahmed Naji. Ein ägyptisches Gericht verurteilte den Autor im Februar zu zwei Jahren Haft. Die offizielle Begründung: «Verletzung des Anstandsgefühls» wegen einer pornografischen Passage in einem fiktionalen Text.

Naji wurde von einem Ägypter angezeigt. Wie die britische Tageszeitung «The Guardian» schreibt, bekam der Mann beim Lesen Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck. In der besagten Szene beschreibt der Ich-Erzähler unter anderem, wie er Haschisch konsumiert und mit einer Frau nach einer Partynacht Oralsex hat. Bereits 2014 war der Ausschnitt aus Najis Buch «Istikhdam al-Haya» («Gebrauchsanweisung für das Leben»), im Magazin «Akhbar al-Adab» erschienen.

«Ich habe Ahmed als absolut intellektuellen Typ in Erinnerung - ein klassischer Künstler», erinnert sich Rainer Sollich, Online-Chef der Arabischen Redaktion der Deutschen Welle, an seinen ehemaligen Praktikanten. Naji sei vor ein paar Jahren mit einem Stipendium in Deutschland gewesen und habe noch kurz danach für den Sender gearbeitet, bevor er sich ganz der Schriftstellerei gewidmet habe.

Im Zusammenhang mit den Umbrüchen 2011 war Naji voller Hoffnung, dass sich in Ägypten etwas zum Besseren wenden könne. Deshalb berichtete er für die Deutsche Welle sehr kritisch über das Regime der Muslimbrüder, die die Meinungs- und Kunstfreiheit einschränken wollten. «Dass er dann ausgerechnet unter den jetzigen Machthabern - die ja versuchen, gute Beziehungen zu westlichen Staaten aufzubauen - so eine schlimme Erfahrung machen muss, macht die Sache besonders tragisch», sagt Sollich.

Auch Okail vom TIMEP ist geschockt, verwundert ist sie aber nicht. Die ägyptische Regierung wolle Islamisten bekämpfen und gleichzeitig weiterhin die konservative Stimmung in der Gesellschaft aufgreifen. «Deswegen positioniert sie sich als Hüterin der Moral.»

Ägypten belegt Platz 159 von 180 auf der aktuellen Weltrangliste der Pressefreiheit von «Reporter ohne Grenzen». Immer wieder werden Journalisten, die kritisch berichten, weggesperrt. Wie der Fotojournalist Shawkan, der seit 2013 in Haft sitzt, weil er über gewalttätige Sicherheitskräfte bei Protesten in Kairo berichtet hatte - ohne Anklage und Prozess. Ihm droht die Todesstrafe, wie Amnesty International schreibt.

Doch nicht nur Journalisten erleben zunehmenden Druck auf ihre Arbeit. Auch immer mehr dezidiert apolitische Kunstproduktionen würden von staatlichen Stellen angegriffen, sagt Okail. Kürzlich habe die Regierung Musikverbände dazu berechtigt, Konzerte zu kontrollieren und Musiker verhaften zu lassen. Künstler repräsentierten die unabhängigen Stimmen in einer Gesellschaft – in den Augen des ägyptischen Staates sei deshalb jegliche kreative Handlung ein Akt des Umsturzes. «An Naji haben sie deshalb ein Exempel statuiert», fasst Okail zusammen.

Auch der internationale Schriftstellerverband P.E.N. will Aufmerksamkeit erreichen für den Autoren. Am 16. Mai verleiht ihm P.E.N. America den «Freedom to Write Award» in New York. Und auch die deutsche Vertretung hat einen Aufruf gestartet, in dem sie zur sofortigen Freilassung des Schriftstellers aufruft.

Naji habe sich immer wieder auch klar positioniert für die Demokratisierung des Landes, sagt Sascha Feuchert, Vizepräsident von P.E.N. Deutschland. «Deswegen ist das ein politisches Verfahren.» Wenn der Staat in die Freiheit der Kunst eingreife, werde der Literat automatisch zum Oppositionellen. Diese Entwicklung, so seine Beobachtung, verschärfe sich unter der Präsidentschaft von Abdel Fattah al-Sisi.

Für Okail vom TIMEP ist schon lange ein gefährliches Niveau erreicht: Nach und nach schließe die Regierung alle friedlichen Kanäle der Opposition - zur Freude der Terroristen, die sich in diesem Klima bestens ausbreiten könnten. (epd)

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