Mit der Seilbahn zur Klagemauer: Neuer Streit in Nahost

Sie soll den Zugang zur Altstadt in Jerusalem erleichtern. Doch die von Israel geplante Seilbahn führt damit in den arabisch geprägten Ost-Teil der Stadt. Ein Affront für die Palästinenser. Von Stefanie Järkel und Maher Abukhater

Der Besuch von Jerusalem kann anstrengend sein. Nicht nur wegen der Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern, sondern weil das Stadtgebiet ziemlich hügelig ist. Zur Klagemauer in der Altstadt muss der Besucher hinabsteigen, zum Ölberg wieder hinauf. Da klingt die Idee der Israelis, eine Seilbahn zu bauen, verlockend. Doch die Palästinenser kritisieren die Pläne scharf.

Rund 50 Millionen Euro soll der Bau der 1,4 Kilometer langen Seilbahn nach Angaben des Tourismusministerium kosten. Von 2021 an könnte sie bis zu rund 130 000 Besucher pro Woche an die für Juden heilige Klagemauer bringen. Die Seilbahn soll von der alten Bahnstation im jüdisch geprägten Westteil der Stadt hoch auf den Ölberg im arabisch geprägten Ostteil der Stadt sowie an den Rand der Altstadt zur Klagemauer führen.  

Dort befindet sich allerdings auch der Tempelberg mit der für Muslime heiligen Al-Aksa-Moschee. Bauprojekte in der Nähe des Tempelbergs haben in der Vergangenheit immer wieder zu schweren Spannungen mit den Palästinensern geführt. Schließlich hat Israel den Ostteil Jerusalems mit der Altstadt während des Sechs-Tage-Krieges erobert und später annektiert.  

International wurde die Annexion allerdings nie anerkannt. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines unabhängigen Palästinenserstaates. Der endgültige politische Status von Jerusalem soll in Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern geklärt werden.

Als Benjamin Netanjahu 1996 während seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident einen Tunnel an der Klagemauer öffnen ließ, kam es zu blutigen Unruhen in den Palästinensergebieten. In demselben Tunnel hielt die israelische Regierung am Sonntag eine Sondersitzung zum 50. Jahrestag der Eroberung Ost-Jerusalems ab. Dabei kündigte Netanjahu auch den Bau der Seilbahn an.

Die Palästinenser sehen den Bau der Seilbahn als Provokation. «Dies ist alles Teil des politischen Spieles, die volle Kontrolle über die Stadt zu erlangen und jeglichen Hinweis darauf, dass Jerusalem eine besetzte Stadt ist, zu vernichten», sagt Siad Hamuri, Direktor des Jerusalemer Zentrums für soziale und wirtschaftliche Rechte.

Israel wolle mit der Seilbahn den Blick der Besucher stärker auf die jüdischen Seiten der Stadt lenken statt auf die arabisch-muslimischen Orte. Israel versuche, den Charakter der Stadt zu verändern. Die israelische Nachrichtenseite «ynet» spricht von einem «sehr sensiblen Projekt - politisch gesehen». Nach Medienberichten soll sich eine französische Firma bereits vor zwei Jahren wegen Bedenken angesichts der politischen Lage aus dem Projekt zurückgezogen haben.  

Israels Tourismusminister Jariv Levin schwärmt hingegen von dem Projekt: «Die zukünftige Seilbahn wird das Gesicht Jerusalems verändern und Touristen und Besuchern einen einfachen und bequemen Zugang zur Klagemauer ermöglichen», sagt er. Außerdem soll die Bahn den Besuchern einen Blick unter anderem über die Altstadt ermöglichen, die auch Teil des Unesco-Welterbes ist. «

Es gibt keine passendere und aufregendere Zeit als diese - 50 Jahre nach der Vereinigung Jerusalems - um dieses revolutionäre Projekt zu starten.» (dpa)

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