Scheich, mach mich reich!

In Berlin verleihen saudische Abgesandte den höchstdotierten Preis für Übersetzungen. Zwischen Sauerbraten und Gemüsesuppe sind Bücklingsrituale offenbar wichtiger als der Geldsegen. Hinter den Kulissen lauern weitere Peinlichkeiten. Von Werner Bloch

Von Werner Bloch

Eine Million Dollar hat der stellvertretende saudische Außenminister Abdelaziz bin Abdullah bin Abdulaziz für einen Preis ausgesetzt - den "Übersetzerpreis des Hüters der beiden heiligen Stätten". Gemeint sind Mekka und Medina. Das ist die höchst dotierte Auszeichnung für Übersetzungen überhaupt, eine astronomische Summe in einem schlecht bezahlten Metier.

Die entsprechende Inszenierung hat der Prinz, ein Sohn von König Abdullah, dazu gekauft. Am Sonntag flog er samt Entourage im Privatjet an die Spree, am Montag wurde der Preis im großen Ballsaal des Roten Rathauses verliehen.

Gastgeber war Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Im eher behäbigen, für arabische Augen kaum luxuriösen Ambiente zeigten die Saudis dann ihre Show. Bei Sauerbraten und Gemüsesuppe ließen sie die mitgebrachten Werbetrailer abspielen, lobten den Preis, den Seine Hoheit, der König ausgesetzt hatte, und dankten dem Berliner Publikum - auch wenn das deutsche Publikum nichts davon wusste, denn publik gemacht worden war die Preisverleihung kaum.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, Foto: dpa
Voll des Lobes für die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen der Saudis: In Riad sei eine große Wissenschaftsstadt entstanden, die von durchaus weltoffenen und fachlich brillanten Saudis geführt werde, so Klaus Wowereit.

​​Das Preisgeld in Höhe von je 200.000 Dollar verteilt sich auf fünf Kategorien: Übersetzungen im Bereich der Geisteswissenschaften, Religion, Literatur und Naturwissenschaften, jeweils vom und ins Arabische. Außerdem gibt es einen Sonderpreis für Institutionen, die Übersetzungen fördern.

In diesem Jahr ging beispielsweise ein Preis ins ferne Usbekistan. Dort wurde ein Werk aus dem 9. Jahrhundert, die "Biografie des Propheten Mohammed, Friede sei mit ihm" von Ibn Hisham erstmals von einem Übersetzerteam ins Usbekische übertragen. Ein aus Samarkand eingeflogene Preisträger verkündete gerührt, er bete nun, dass dieser Erfolg weitere Erfolge hervorbringe und dass auch dem Preis und den Preisträgern ein langes Leben beschieden sei.

Überhaupt gehöre dieser Erfolg nicht ihm, sondern Gott und dem saudischen König - ein Diskurs, in dem das theokratisch-islamische Weltbild immer wieder mit dem modernen Rahmen der Preisverleihungsfeier durcheinandergeriet.

"Ich komme mir betrogen vor"

Saudi-Arabien war in Berlin sehr mit inneren Ritualen beschäftigt. In der Rede des saudischen Außenministers klingt das dann so: "Seine Hoheit der stellvertretende Außenminister dankt seiner Majestät dem saudischen König für die Austragung der Feier der Preisverleihung in der deutschen Hauptstadt Berlin, was den internationalen Charakter des Preises festigt und ihm eine stetige Öffnung auf alle Kulturen und Sprachen ermöglicht.

Hartmut Fähndrich; Foto: Samir Grees/DW
"Ich habe den Eindruck, die Araber kennen ihre Freunde nicht": Hartmut Fähndrich, einer der besten deutschen Übersetzer aus dem Arabischen.

​​Seine Hoheit dankt den Deutschen auf offizieller und privater Ebene für die Anerkennung der hehren Ziele dieses Preises." So dankt der Preisverleiher, der saudische Außenminister, dem saudischen König, dafür dass der den Preis gestiftet hat. Dafür will er gern auch die Anerkennung der Deutschen.

Hinter den Kulissen lauern weitere Peinlichkeiten. Wer etwa bei ehemaligen Preisträgern nachfragt, hört bizarre Geschichten. Hartmut Fähndrich, einer der besten deutschen Übersetzer aus dem Arabischen, wurde von den Saudis vor drei Jahren in Casablanca ausgezeichnet. Das versprochene Preisgeld, das er sich mit einer arabischen Kollegin teilen sollte, ist bei ihm allerdings bis heute nicht eingegangen - nur ein Bruchteil dieser Summe.

"Ich danke den Saudis", sagt Hartmut Fähndrich am Telefon, "doch ich komme mir betrogen vor." Auf Rückfrage erhielt er eher abweisende Antworten. Den Arabern gehe es vor allem um altorientalische Bücklingsrituale: "Ich habe den Eindruck, die Araber kennen ihre Freunde nicht."

"Geschlossene Gesellschaft"

Klaus Wowereit sieht das anders. Er betont die Vorteile des Austauschs mit Saudi-Arabien, vor allem auf kulturellem, wissenschaftlichen und medizinischem Gebiet. In Riad sei eine große Wissenschaftsstadt entstanden, die von durchaus weltoffenen und fachlich brillanten Saudis geführt wird. "Ich spreche die Menschenrechtsfrage immer wieder an", sagt Wowereit, der in seiner Rede die arabische Rebellion glühend verteidigt und betont hatte, dass Demokratie und Islam vereinbar seien.

Wer am Montag, den 8.10. als Zuschauer an der Preisverleihung teilnehmen wollte, wurde von Polizisten nach Hause geschickt. An der Tür empfing ihn das Schild "Geschlossene Gesellschaft".

Werner Bloch

© Süddeutsche Zeitung 2012

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de