Menschenrechtsgericht: Musliminnen müssen am Schwimmunterricht teilnehmen

Muslimische Eltern dürfen ihre Töchter nicht im Namen der Religion vom Schwimmunterricht ausnehmen - das hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg am Dienstag entschieden. Damit wies das Gericht die Klage einer Schweizer Familie mit türkischen Wurzeln ab, die ihren Töchtern den Besuch einer Schwimmklasse mit Jungen und Mädchen verboten hatte.

Das staatliche Interesse, ausländische Schüler zu integrieren und ihnen die heimischen Gebräuche und Werte zu vermitteln, habe Vorrang vor dem Wunsch der Eltern, die Kinder aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht auszuschließen, urteilte am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Schweizer Fall.

Zweck des Schwimmunterrichts sei nicht nur, Schwimmen zu lernen, sondern auch das soziale Miteinander unter den Kindern zu fördern. Ein Ausschluss vom gemeinsamen Schwimmunterricht stehe dem aber entgegen.

Die Straßburger Richter urteilten, die Schweizer Behörden hätten rechtmäßig gehandelt, als sie der Familie eine Strafe von umgerechnet rund 1300 Euro auferlegten. Der Staat wolle Schüler ausländischer Herkunft mit der Pflicht zur Teilnahme an Schwimmklassen "vor dem sozialen Ausschluss schützen".

In der Schweiz sind Ausnahmen vom Schwimmunterricht möglich, aber nur für pubertierende Mädchen. Die Töchter der türkischstämmigen Familie waren zur Zeit des Streitfalls sieben und neun Jahre alt. Die in Basel lebenden Eltern hatten ihre Klage mit Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention begründet. Er hält fest: "Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit." Dieses Grundrecht werde durch die verpflichtende Teilnahme an Schwimmklassen nicht eingeschränkt, urteilten die Straßburger Richter. Musliminnen hätten die Möglichkeit, einen Burkini zu tragen, einen Ganzkörper-Badeanzug.

In Deutschland hatte das Bundesverwaltungsgericht im September 2013 ähnlich entschieden. Es wies die Klage einer muslimischen Familie aus Frankfurt am Main ab, die ihre Tochter ebenfalls nicht zum Schwimmunterricht schicken wollte.

Die Leipziger Richter urteilten damals, die Muslimin müsse den Anblick von Jungen mit nacktem Oberkörper hinnehmen, auch wenn es gegen ihre religiöse Anschauung verstoße. Denn auch außerhalb der Schule zeigten sich Männer im Sommer ohne Oberteil. Die Schule müsse diese "gesellschaftliche Realität" nicht ausblenden.

In dem Schweizer Fall haben die klagenden Eltern noch drei Monate Zeit, um eine erneute Befassung des Gerichts zu verlangen. Die Richter müssen dem aber nicht stattgeben. Urteile des Menschenrechtsgerichts haben grundsätzlich Signalwirkung in ähnlichen Fällen. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt für alle 47 Mitgliedsländer des Europarats. (AFP/epd)