Mehrere Hundert demonstrieren in Altdorf gegen Islamfeindlichkeit

Nach islamkritischen Äußerungen des dritten Bürgermeisters haben im mittelfränkischen Altdorf bei Nürnberg mehrere hundert Menschen für Toleranz und gegen Islamfeindlichkeit demonstriert. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, bekam am Montagabend bei einer Feier zum Reformationstag in der voll besetzten evangelischen Stadtkirche viel Applaus - die meisten Zuhörer erhoben sich dafür sogar von ihren Sitzen. Mazyek forderte die etablierten Parteien in seiner Rede auf, im Kampf um Wählerstimmen keine «gefährlichen rechtspopulistischen Parolen» zu kopieren.

Um die Veranstaltung hatte es zuvor heftige Diskussionen gegeben. Der dritte Bürgermeister der Gemeinde, Johann Pöllot (CSU), hatte den Termin als «Islamschweinerei am Reformationstag» bezeichnet. Später distanzierte er sich von der «verheerenden» Formulierung und entschuldigte sich beim evangelischen Dekan Jörg Breu sowie bei den Muslimen in seiner Gemeinde. Er sei kein Islamfeind und habe «keineswegs den Islam verunglimpfen» wollen. Die SPD in Altdorf forderte dennoch Pöllots Rücktritt.

Vor der Veranstaltung demonstrierten nach Polizeiangaben etwa 400 Menschen vor der Kirche. Der erste Bürgermeister Altdorfs, Erich Odörfer (CSU), sagte bei der Demonstration, die Formulierungen seines Stellvertreters seien «falsch und nicht angebracht» gewesen. «Altdorf ist bunt und soll es auch bleiben», sagte Odörfer unter dem lauten Jubel der Demonstranten. Ihnen gegenüber standen etwa 20 Teilnehmer einer der islamfeindlichen Pegida-Bewegung nahestehenden Gruppe.

Mazyek appellierte in seiner Ansprache «insbesondere an die konservativen (Parteien) und hier in Bayern ganz besonders an die CSU». Das Konzept von Sündenbockdiskussionen und Abwertungen von Minderheiten gehe nicht auf - «das sehen wir in Österreich, in Frankreich, in England oder Ungarn». Stattdessen sollten sich die Parteien mit den Rechten klar auseinandersetzen. «Gestalten statt spalten - das muss unser Credo sein», sagte Mazyek.

Vor der Veranstaltung sagte Mazyek, er nehme Pöllots Entschuldigung an. «Was bleibt ist, dass diese Hasssprache weiter salonfähig gemacht wurde. Sie hat viel Gift rein gebracht.» Von hochrangigen islamischen Geistlichen und Gelehrten erwarte er, dass sie unmissverständlich Position gegenüber islamistischen Terroristen beziehen, sagte er in seiner Rede. «Wir brauchen keine Fundamentalisten, keine Islamisten, eigentlich überhaupt keine -isten. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die Gutes tun, und keine Ideologen. Wir brauchen keinen Islam à la Lenin, sondern à la Ghandi.»

Der Dialog zwischen den Religionen sei in diesen Tagen eine Herausforderung. «Und natürlich gibt es so etwas wie eine deutsche Leitkultur», sagte Mazyek. Er denke dabei an die Werte des Grundgesetzes, an Kant, Goethe und Schiller, an das Wirtschaftswunder, das ohne die Türken nicht zustande gekommen wäre, und auch an die Lehren aus der Shoah. «Dies alles gehört für mich zur Leitkultur. Und von mir aus auch Halal-Würstchen und Oktoberfest», meinte Mazyek. (dpa)

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