Muslimischen Frauen eine eigene Stimme geben

"Love, InshAllah" ist eine brandneue Anthologie persönlicher Geschichten muslimischer Frauen in den USA, die ungewöhnliche Einblicke in das Themenfeld Liebe, Islam und Genderfragen eröffnet. Einzelheiten von Marwa Helal

Von Marwa Helal

Auf dieses bemerkenswerte Buch sind bereits viele Medien im englischsprachigen Raum aufmerksam geworden, darunter die New York Times, die BBC, der öffentliche Rundfunk in den USA (NPR) und The Guardian, um an dieser Stelle nur einige zu nennen. Obwohl erst vor rund zwei Monaten publiziert, erscheint bereits die vierte Auflage und Verlage aus Indonesien, Italien und dem Nahen Osten zeigen lebhaftes Interesse an der Übersetzung von "Love, InshAllah" sowie an der Veröffentlichung ähnlicher Anthologien mit länderbezogenen Geschichten.

Die beiden Herausgeber, die international tätige Entwicklungsberaterin Ayesha Mattu und die Bürgerrechtsanwältin und Autorin Nura Maznavi sind die geistigen Urheber dieses richtungsweisenden Buchprojekts. Die 25 Geschichten, die sie für die Anthologie ausgewählt haben, stammen von Autorinnen, die in der Mehrzahl noch nie zuvor etwas publiziert hatten. Die Stories wurden danach ausgewählt, wie fesselnd, herzzerreißend, hoffnungsvoll und/oder aufrichtig sie geschrieben wurden.

Erfrischende Offenheit und Ehrlichkeit

Und so verschieden wie die Verfasserinnen sind auch ihre Geschichten: Eine Autorin, Aisha Saeed, haucht zum Beispiel in ihrem Essay "Leap of Faith" (Vertrauensvorschuss) dem alten Thema der arrangierten Heirat neues Leben ein. Sie schreibt davon, wie sie diese für sich selbst entdeckte und warum diese Tradition – zumindest für sie und ihren Ehemann – funktioniert. Andere Autorinnen erleben ihre Hinwendung zum Islam über ihre Liebesbeziehung oder über den inneren Entscheidungskampf, eine Fernbeziehung aufrechtzuerhalten.

Die beiden Ko-Autorinnen und Herausgeberinnen Ayesha Mattu and Nura Maznavi; Foto: www.loveinshallah.com
Von Herz zu Herz - jenseits jeglicher Sensationslust: "Das Buch der beiden Autorinnen Ayesha Mattu und Nura Maznavi hat sicherlich eine gewaltige Diskussion angestoßen – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Doch vor allem hat es dazu beigetragen, muslimischen Amerikanerinnen eine eigene Stimme zu geben", schreibt Marwa Helal..

​​Den Herausgeberinnen ist es gelungen, Stories zu entdecken, die nicht nur von Aufrichtigkeit zeugen – und dies manchmal sogar fast zu sehr –, sondern sich auch für Diskussionen eignen, auf die muslimische Frauen bislang sehr lange warten mussten: Diskussion über ihre Hoffnungen und Ängste, wenn es ums Verlieben geht und um den Umgang mit gesellschaftlichen Erwartungen.

Die Art und Weise, in der diese Anthologie kurze, persönliche Erzählungen die Türen für eine neue Kommunikation geöffnet hat – und dies sowohl innerhalb wie außerhalb der muslimischen Gemeinschaft –, ist faszinierend. In einem Email-Interview mit den beiden Herausgeberinnen äußern sie sich detaillierter zu dieser Erfahrung:

"Die Anthologie erlaubt es Menschen anderen Glaubens und anderer Herkunft, sich in muslimische Frauen emotional hineinzuversetzen – von Herz zu Herz, jenseits jeder Sensationslust", schreiben sie.

"Während einer Lesung, die vor kurzem vor Menschen unterschiedlicher Konfession stattfand, standen ein Jude, eine aus Litauen stammende Katholikin und ein aus Palästina stammender Christ auf und sagten, dass sie in den Geschichten dieser Frauen Aspekte ihres eigenen Lebens wiederfänden. Diese Stories wirken somit wie eine Einladung, sich gegenseitig besser zu verstehen, dem anderen die eigene Menschlichkeit zu offenbaren und einen Dialog über die bedeutungsvollsten und heiligsten Aspekte unseres Lebens anzuregen – über die Angelegenheiten zu sprechen, die uns allen gemein sind."

Den Autorinnen ging es mit ihrem Buchprojekt auch darum, eine Art Gemeinschaft zu bilden, indem sie mit ihren LeserInnen in Verbindung traten – sei es durch persönliche Gespräche und Lesungen oder via Skype-Kommunikation. Beide berichten, dass etwa ein Drittel der Teilnehmerinnen Nicht-Muslime seien.

Eine persönliche und politische Transformation

"Eine Frau erzählte uns, dass sie, nachdem sie gerade die Anthologie gelesen hatte, zwei muslimische Frauen mit Gesichtsschleier (Niqab) gesehen hat und sie diese Frauen das erste Mal als Frauen betrachtete, mit ihren eigenen Wünschen und Gefühlen, die sie mit allen Frauen teilen. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie begonnen hatte, die Anthologie zu lesen, war ihr gar nicht bewusst, dass sie sie bis dahin als etwas ganz anderes angesehen hatte – zu Frauen, zu denen sie gar keine Beziehung aufbauen konnte. Das ist wirklich eine umwälzende Veränderung der eigenen Sichtweise, eine persönliche und politische Transformation", so die Autorinnen.

Während einer "Love, InshAllah"-Lesung, die jüngst stattfand, war deutlich zu erkennen, dass sowohl Männer als auch Frauen sich dafür begeistern konnten, etwas über das Liebesleben muslimischer Frauen lesen und darüber auch diskutieren zu können. Jemand machte sogar den Vorschlag, dass es doch auch eine "Love, InshAllah"-Anthologie für Männer geben solle.

Das Buch hat sicherlich eine gewaltige Diskussion angestoßen – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Doch vor allem hat es dazu beigetragen, muslimischen Amerikanerinnen eine eigene Stimme zu geben.

Und: "Wer könnte denn wohl besser die Geschichten muslimischer Frauen erzählen als sie selbst?" – ein Leitsatz der beiden Herausgeberinnen, die nicht müde werden, diese Worte immer wieder auf ihren Lesungen und in Interviews hervorzuheben. Die überraschende Offenheit, Zivilcourage und die Mannigfaltigkeit der Geschichten dürften bestimmt jedes Publikum begeistern.

Marwa Helal

© Common Ground News Service 2012

Marwa Helal ist Sachbuchautorin und Journalistin. Sie ist Mitbegründerin, Kreativdirektorin und Chefredakteurin des "FEN-Magazine" (www.fenmag.com), das sich arabischer Kunst und Künstlern in den USA widmet. Leser können mit den Herausgeberinnen und Autorinnen von Love, InshAllah direkt in Verbindung treten, entweder über ihre Website oder über Facebook.

Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Kiecol

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de