Libysche Konfliktparteien verhandeln in Berlin

Es ist ein verzweifelter Versuch, aber aller Ehren wert: Bis zum Ramadan-Beginn am 17. Juni wollen die UN in Libyen die Waffen schweigen sehen. Eine Konferenz in der Bundeshauptstadt soll dazu den Weg ebnen.

Auf Einladung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier findet an diesem Mittwoch ein Krisentreffen zur Lage im Bürgerkriegsland Libyen statt. An der Konferenz nehmen unter anderem der Libyen-Sondergesandte der Vereinten Nationen, Bernardino León, die entsprechenden Beauftragten der fünf UN-Vetomächte sowie zwei Dutzend Vertreter aus dem nordafrikanischen Land teil. Ziel der internationalen Gemeinschaft ist es, in Libyen eine "Regierung der nationalen Einheit" zu vermitteln.

Die international anerkannte libysche Regierung von Ministerpräsident Abdullah al-Thani hatte gleichwohl zuvor einen UN-Entwurf für eine Einheitsregierung zurückgewiesen. Der Entwurf verschaffe den konkurrierenden Islamisten in wichtigen Bereichen Vorteile, hieß aus dem Parlament in der Stadt Tobruk. In Libyen existieren vier Jahre nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi zwei Regierungen nebeneinander: Die eher weltliche, international anerkannte sitzt in Tobruk. In der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes herrscht der selbst ernannte Regierungschef des Islamistenbündnisses Fadschr Libya (Morgendämmerung Libyens), Chalif al-Ghwell.

Dem UN-Vorschlag zufolge soll zwar das Parlament in Tobruk in der Übergangsphase von einem Jahr die gesetzgebende Institution in dem nordafrikanischen Land sein. Der Hohe Staatsrat, der überwiegend aus Mitgliedern des islamistischen Gegenparlaments besetzt werden soll, könnte Gesetzentwürfe aber mit qualifizierter Mehrheit zu Fall bringen. Die Vereinte Nationen bemühen sich seit Monaten um die Bildung einer Einheitsregierung. Der UN-Sondergesandte will vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am 17. Juni eine Einigung erzielen.

Das Machtvakuum in dem ölreichen Land haben Dschihadisten ausgenutzt: Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und das Extremistennetzwerk Al-Kaida sind im Land aktiv. Der IS eroberte am Dienstag offenbar die nördlich gelegene Stadt Sirte. Das auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierte US-Unternehmen Site teilte mit, die Dschihadisten-Organisation habe Fotos von seinen Kämpfern in der Stadt veröffentlicht. Die Fotos zeigten IS-Kämpfer bei Gefechten, auf schwerem Militärgerät, beim Erkunden der Stadt und eines nahegelegenen Wärmekraftwerks. Zu sehen seien auch Leichen von Kämpfern der Miliz Fadschr Libya, teilte Site weiter mit. Ende Mai hatte der "Islamische Staat" bereits den Flughafen von Sirte 450 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis eingenommen. Es war der erste derartige Eroberungserfolg für die extremistische Miliz in Libyen. Sirte ist die Heimatstadt des früheren Machthabers Gaddafi. (AFP/dpa/Reuters)